Leistungsbewertungen im Jurastudium sind seit jeher Gegenstand kritischer Diskussionen. Unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe, subjektive Einschätzungen und individuelle Erwartungshaltungen der Korrektor:innen können dazu führen, dass vergleichbare Arbeiten unterschiedlich benotet werden. Die Universität Bayreuth hat im Sommersemester 2025 ein neuartiges Software-Tool getestet, das genau hier ansetzt – mit bemerkenswertem Erfolg.
Sachverhalt
Der Fachschaftsvorsitzende der Universität Bayreuth entwickelte ein Computerprogramm, das gezielt Bewertungsungerechtigkeiten bei Jura-Hausarbeiten aufdecken soll. Das Tool arbeitet mit Clustering-Algorithmen, die inhaltliche Ähnlichkeiten zwischen Arbeiten erkennen und auffällige Notenabweichungen identifizieren. Ziel ist es, systematisch zu prüfen, ob vergleichbare Arbeiten stark unterschiedlich bewertet wurden – und zwar noch bevor die Hausarbeiten an die Studierenden zurückgegeben werden.
Zusätzlich unterstützt die Software die faire Verteilung der Arbeiten an die Korrektor:innen, indem sie sicherstellt, dass jede:r Korrektor:in eine ausgewogene Mischung aus verschiedenen Leistungsniveaus erhält.
Ergebnisse des Testlaufs
Im Testlauf wurden 107 Hausarbeiten analysiert. Elf davon wiesen signifikante Bewertungsabweichungen auf. Bei drei dieser Arbeiten kam es nach einer erneuten Prüfung zu einer deutlichen Notenverbesserung. Besonders eindrucksvoll: Ein Studierender konnte sich von vier auf neun Punkte steigern – ein Sprung, der im juristischen Notensystem einen erheblichen Unterschied bedeutet.
Der Entwickler betont, dass das Tool nicht der Kontrolle der Korrektor:innen dient, sondern als Unterstützung, um subjektive Verzerrungen zu minimieren. Perspektivisch soll die Software um weitere Funktionen erweitert werden, etwa das automatische Erkennen und Ausblenden von Deckblättern oder Inhaltsverzeichnissen. Zudem wird an einer benutzerfreundlichen Oberfläche gearbeitet, um auch anderen Universitäten den Einsatz ohne Programmierkenntnisse zu ermöglichen.
Bedeutung für Studium und Lehre
Die Erfahrungen aus Bayreuth zeigen, dass technische Innovationen nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der akademischen Lehre einen entscheidenden Beitrag zur Fairness leisten können. Im Jurastudium, in dem wenige Punkte über Karrierewege entscheiden können, hat die gerechte Bewertung von Leistungen besondere Relevanz. Das Projekt verdeutlicht zudem, welches Potenzial aus der Studierendenschaft selbst entstehen kann, wenn technisches Know-how mit dem Ziel einer gerechteren Lehre kombiniert wird.
Fazit
Der Bayreuther Testlauf ist ein vielversprechender Schritt hin zu einer objektiveren Leistungsbewertung. Sollte sich das Tool auch an anderen Universitäten bewähren, könnte es langfristig zu mehr Transparenz, Vergleichbarkeit und Chancengleichheit in der juristischen Ausbildung beitragen.