Recht prägt unser tägliches Leben. Vom Kaufvertrag im Supermarkt über das Abonnement im Internet bis hin zu Miet- und Arbeitsverhältnissen – juristische Grundlagen bestimmen unseren Alltag. Umso erstaunlicher ist es, dass Recht im schulischen Lehrplan bislang kaum eine Rolle spielt. Abgesehen von vereinzelten Bezügen in Politik- oder Sozialkunde bleibt Rechtskunde in den meisten Bundesländern ein Randthema. Prof. Dr. Andreas Gran fordert in der NJW deshalb, das Fach verbindlich in die Lehrpläne zu integrieren.
Wissenslücken im Alltag – „Bürgerliches Recht ohne Bürger“
Viele junge Menschen haben keinerlei Vorstellung davon, wo rechtliche Regelungen überhaupt zu finden sind. Dass es ein Bürgerliches Gesetzbuch gibt, ist oft unbekannt. Dabei betrifft insbesondere das BGB den Alltag Jugendlicher in besonderem Maße: Fragen der Geschäftsfähigkeit, Vertragsabschluss, Anfechtung, Widerruf, AGB, Gewährleistung oder Haftung gehören zu den typischen Problemfeldern. Fehlendes Wissen führt nicht nur zu Unsicherheit, sondern schwächt auch die Fähigkeit, sich in einer Konsumgesellschaft zu behaupten.
Herausforderungen der Einführung von Rechtskunde
Warum also wird Rechtskunde bislang nicht flächendeckend unterrichtet? Gran verweist auf organisatorische und personelle Hindernisse: Lehrermangel, fehlende didaktische Konzepte und die Sorge vieler Lehrkräfte, sich inhaltlich zu überfordern. In der Lehrerausbildung spielt Recht bislang fast ausschließlich als Schulrecht eine Rolle. Der Gedanke, juristische Laien könnten plötzlich Vertragsrecht vermitteln, sorgt für Zurückhaltung.
Doch es gäbe Alternativen: Rechtskunde könnte durch nebenberuflich tätige Jurist:innen oder ehrenamtliche Dozent:innen unterrichtet werden. Wichtig ist dabei eine niedrigschwellige Didaktik, die nicht auf Kommentarliteratur, sondern auf verständliche Alltagssituationen setzt.
Rechtskunde als Stärkung der Eigenverantwortung
Gran betont, dass Rechtskunde nicht nur juristische Defizite ausgleicht, sondern auch gesellschaftliche und wirtschaftliche Vorteile bringt. Wer Regeln versteht, ist weniger auf staatliche Eingriffe angewiesen. Eigenverantwortung, Vertragsfreiheit und Privatautonomie lassen sich nur leben, wenn man die rechtlichen Grundlagen kennt. Fehlt dieses Wissen, sind Konflikte, Überforderung oder blinder Ruf nach staatlicher Hilfe die Folge. Rechtskunde wäre damit ein Beitrag zu einer aufgeklärten, konfliktarmen Gesellschaft.
Konkrete Umsetzung: Alltagsnahe Beispiele im Unterricht
Wie könnte Rechtskunde konkret aussehen? Gran schlägt vor, anhand praktischer Fälle zu unterrichten: Kann man für ein defektes Handy sofort sein Geld zurückverlangen? Gilt ein Vertrag über ein Feriencamp, wenn man es sich anders überlegt? Darf ein 16-Jähriger ein Moped kaufen? Solche Fragen sind nicht nur lebensnah, sondern wecken auch Neugier bei Jugendlichen. Der Unterricht sollte dabei nicht trocken, sondern dialogisch und praxisorientiert sein.
Fazit
Rechtskunde gehört in den Lehrplan. Jugendliche sollten frühzeitig lernen, ihre Rechte und Pflichten zu kennen und selbstbewusst durchzusetzen. Das stärkt nicht nur den Einzelnen, sondern auch das gesellschaftliche Miteinander und die wirtschaftliche Teilhabe. Die Herausforderung liegt weniger im „Ob“ als im „Wie“. Mit pragmatischen Lösungen und alltagsnaher Didaktik könnte das Fach zu einer echten Bereicherung der schulischen Bildung werden.