Ein Rechtsreferendar aus Niedersachsen hat vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg einen Etappensieg errungen: Wer die Bewertung seiner schriftlichen Prüfungen im Zweiten Staatsexamen rechtlich angreift, darf dennoch vorläufig an der mündlichen Prüfung teilnehmen. Das entschied das OVG mit Beschluss vom 6. Juni 2024 und stellte sich damit gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts Göttingen (Az. 4 ME 72/24).
Der Referendar hatte im Jahr 2021 seinen juristischen Vorbereitungsdienst begonnen. Nachdem er im Herbst 2023 die schriftlichen Klausuren des Zweiten Staatsexamens absolviert hatte, erhielt er einen Bescheid über das Nichtbestehen. In einem Ergänzungsvorbereitungsdienst zwischen September und Dezember 2023 bereitete er sich erneut vor. Auch im zweiten Versuch im Januar 2024 scheiterte er. Am 14. April 2024 wurde ihm schließlich das endgültige Nichtbestehen der Prüfung beschieden.
Hiergegen legte der Jurist Widerspruch ein, der aber zurückgewiesen wurde. Er erhob daraufhin Klage vor dem Verwaltungsgericht Göttingen (Az. 4 A 492/24) und beanstandete insbesondere Bewertungsfehler in mehreren Klausuren, darunter ZU, ZG, A2, W/VR, VR und AV. Parallel beantragte er im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes seine vorläufige Zulassung zur mündlichen Prüfung.
Das Verwaltungsgericht Göttingen hielt den Antrag für unzulässig. Zur Begründung führte es an, dass eine einstweilige Anordnung zur Zulassung zur mündlichen Prüfung kein zulässiger Gegenstand eines Anordnungsverfahrens nach § 123 Abs. 1 VwGO sei. Dem widersprach jedoch das OVG Lüneburg. Es stellte klar, dass im Prüfungsrecht regelmäßig ein Anspruch auf Erweiterung des individuellen Rechtskreises geltend gemacht werde. In diesem Kontext könne die vorläufige Zulassung zu einer Prüfung grundsätzlich Gegenstand einer einstweiligen Anordnung sein.
Dass bisher keine verbindliche Gesamtnote festgelegt sei, stehe der Zulassung zur mündlichen Prüfung nicht entgegen. Das OVG betonte, dass die abschließende Bildung der Prüfungsgesamtnote auch noch nach rechtskräftigem Abschluss des Klageverfahrens erfolgen könne. Es sei nicht erforderlich, dass die Gesamtnote unmittelbar nach der mündlichen Prüfung festgesetzt werde.
Auch § 12 Abs. 5 NJAG, wonach der Prüfungsausschuss die Gesamtnote anhand des Gesamteindrucks um bis zu einem Punkt anpassen kann, stehe dem nicht entgegen. Diese abweichende Festlegung könne ebenfalls nachträglich erfolgen. Den Prüfern sei es zumutbar, sich auch nach einiger Zeit noch ein Gesamtbild zu machen oder auf Aufzeichnungen zurückzugreifen.
Das Verwaltungsgericht Göttingen muss nun erneut darüber entscheiden, ob der Referendar einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat. Bemerkenswert ist, dass der Referendar bislang nicht anwaltlich vertreten war und den Antrag selbst erfolgreich begründet hat.