Bei der Erhebung der Kampfhundesteuer kommt es auf die Abstammung an – nicht auf das Aussehen

Bei der Erhebung der Kampfhundesteuer kommt es auf die Abstammung an – nicht auf das Aussehen

 VG Karlsruhe, Urt. v. 29.07.2025 – 12 K 3485/23


Wann ist ein Hund eine „Kreuzung“ im Sinne einer gemeindlichen Hundesteuersatzung – und damit steuerlich wie ein Kampfhund zu behandeln? Das Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe hat in einer aktuellen Entscheidung eine enge Auslegung des Begriffs gefordert: Nicht das äußere Erscheinungsbild, sondern die Abstammung ist entscheidend. Nur wenn mindestens ein Elternteil ein reinrassiger Kampfhund war, darf eine erhöhte Steuer erhoben werden. Damit stärkt das Gericht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und grenzt die kommunale Steuerpraxis deutlich ein.

 

Der Fall: Hund mit „verdächtigem Phänotyp“

Eine Hundehalterin aus Baden-Württemberg erhielt Anfang 2023 einen Steuerbescheid ihrer Gemeinde: Für ihren „American Bully XL“ sollte sie 648 Euro Hundesteuer zahlen – also 540 Euro mehr als der reguläre Satz. Begründung: Der Hund sei eine „Kreuzung eines gefährlichen Kampfhundes“ gemäß der örtlichen Hundesteuersatzung.

Die Halterin wehrte sich. Sie legte den Stammbaum des Tieres vor, der zeigte, dass keines der Elternteile einer als gefährlich eingestuften Rasse angehörte. Auch ein Tierarztgutachten bestätigte, dass der Hund die Merkmale eines American Bulldog aufweise – einer Rasse, die in der Satzung nicht als gefährlich geführt wird.

Die Gemeinde holte daraufhin ein eigenes Gutachten ein. Der Sachverständige sah im Erscheinungsbild deutliche Züge eines American Staffordshire Terriers – einer gelisteten Kampfhundrasse. Der Widerspruch der Halterin blieb erfolglos. Erst vor dem VG Karlsruhe bekam sie Recht.

 

Das Urteil: Abstammung zählt, nicht Aussehen

Das VG stellte klar: Für die Besteuerung als Kampfhund kommt es nicht auf den Phänotyp (das äußere Erscheinungsbild) an, sondern auf die genetische Herkunft. Nur sogenannte „F1-Abkömmlinge“, also Hunde, bei denen ein Elternteil ein gelisteter Kampfhund war, können unter die Kategorie „Kreuzung“ fallen.


Das Gericht stützte sich auf eine enge Auslegung der Satzung:

  • Die Satzung fordere selbst die Angabe der Rassen von Vater und Mutter – ein Hinweis darauf, dass der Satzungsgeber auf die Elterngeneration abstelle.

  • Die Gefährlichkeitsvermutung sei nur bei unmittelbaren Kreuzungen gerechtfertigt; bei weiter entfernten Generationen (F2, F3 etc.) fehle die wissenschaftliche Grundlage für eine solche Annahme.

Die Gefahrengeneigtheit eines Hundes dürfe nicht auf bloßen optischen Vermutungen beruhen. Auch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) müsse der Begriff der Kreuzung eng verstanden werden.

 

Abgrenzung zur Kampfhundeverordnung

Das Gericht verglich die gemeindliche Satzung mit der Landes-Kampfhundeverordnung Baden-Württemberg.

  • Diese enthalte für drei Hunderassen eine widerlegliche Gefährlichkeitsvermutung, während die kommunale Hundesteuersatzung eine unwiderlegliche Vermutung für alle gelisteten Rassen vorsieht.

  • Damit sei eine restriktive Auslegung notwendig, um Ausuferungen und Ungleichbehandlungen zu vermeiden.

Das VG betonte, die Hundesteuer dürfe nicht zur „Ersatzgefährlichkeitsprüfung“ werden. Wenn die Satzung eine pauschale Gefährlichkeitsvermutung enthalte, müsse sie enger ausgelegt werden als das Polizeirecht, das individuelle Nachweise zulässt.

 

Verfassungsrechtliche Erwägungen

Das Gericht sah in einer weiten Auslegung des Begriffs „Kreuzung“ einen möglichen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG).

Ein Hund, der nur äußerlich ähnlich aussieht, dürfe nicht steuerlich so behandelt werden wie ein tatsächlich gefährlicher Kampfhund. Die Kommune müsse ihre Steuerhoheit im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ausüben.

Darüber hinaus fehle für entfernte Nachkommen jede wissenschaftliche Grundlage, eine erhöhte Gefährlichkeit anzunehmen. Damit würde die Steuerregelung auf „bloßen Befürchtungen“ basieren – und wäre rechtsstaatlich problematisch.

 

Ergebnis

Das VG Karlsruhe hob den Steuerbescheid auf:

  • Eine erhöhte Hundesteuer darf nur dann erhoben werden, wenn nachweislich ein Elternteil ein gelisteter Kampfhund war.

  • Das Erscheinungsbild allein genügt nicht.

  • Die Berufung wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen – eine Entscheidung des VGH Mannheimkönnte folgen.

 

Fazit

Mit seinem Urteil schränkt das VG Karlsruhe die Auslegung kommunaler Hundesteuersatzungen erheblich ein. Gemeinden dürfen nicht allein nach Aussehen oder subjektivem Eindruck entscheiden, ob ein Hund als „Kampfhund“ gilt. Entscheidend ist die nachweisbare Abstammung, nicht der Phänotyp.

Das Urteil betont den rechtstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und schützt Hundehalter vor willkürlichen Steuerbelastungen. Für die Praxis bedeutet das: Kommunen müssen künftig genauer prüfen, auf welcher Grundlage sie eine erhöhte Steuer erheben – und können sich nicht allein auf Gutachten zum Erscheinungsbild stützen.

 

Prüfungsrelevanz für das Jurastudium und Referendariat

Der Fall ist examensrelevant im Verwaltungs- und Verfassungsrecht, insbesondere zu:

  • Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichbehandlungsgrundsatz)

  • Kommunalabgabenrecht / Hundesteuersatzung (§ 3 KAG BW)

  • Verhältnismäßigkeitsprinzip

  • Abgrenzung zwischen Gefahrenabwehrrecht (Kampfhundeverordnung) und Steuerrecht (Hundesteuer)

  • Auslegungsmethoden (enge vs. weite Begriffsinterpretation)

Mögliche Prüfungsfrage: Wann darf eine Gemeinde eine erhöhte Hundesteuer für „Kreuzungen“ erheben und auf welcher Grundlage ist die Gefährlichkeit zu bestimmen?

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