Beleidigungen von Politikerinnen als „kleine Fotze“ nicht von Meinungs- oder Kunstfreiheit gedeckt

Beleidigungen von Politikerinnen als „kleine Fotze“ nicht von Meinungs- oder Kunstfreiheit gedeckt

BVerfG, Beschluss vom 09.06.2025 – 1 BvR 2721/24

 

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Verfassungsbeschwerde des Youtubers Tim Kellner gegen seine strafrechtliche Verurteilung wegen Beleidigung zurückgewiesen. Kellner, der unter dem Namen „Love Priest“ auftritt und über 600.000 Abonnenten auf YouTube erreicht, hatte in mehreren seiner Videos deutsche Politikerinnen massiv herabgewürdigt. So bezeichnete er Nancy Faeser (SPD) als „aufgeblasene Dampfnudel“ und ließ in zwei Videosequenzen eine Filmszene einspielen, in der eine Stimme den Ausruf „Ey, Du kleine Fotze! Ey, Du kleine Fotze, Du dreckige!“ wiedergab, nachdem zuvor die SPD-Politikerin Sawsan Chebli und die Grünen-Abgeordnete Emilia Fester gezeigt worden waren.


Bereits das Amtsgericht Detmold hatte Kellner wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB verurteilt. Sowohl die Berufung als auch die Revision blieben erfolglos. Die Gerichte stuften die Bezeichnungen als Schmähkritik ein. Es habe sich nicht um polemische, aber noch durch die Meinungsfreiheit gedeckte Kritik an öffentlichen Personen gehandelt, sondern um reine Herabwürdigungen ohne jeglichen Sachbezug. Auch die Berufung auf die Kunstfreiheit wurde zurückgewiesen. Zwar sei es richtig, dass Satire als Kunstform unter den Schutz von Art. 5 Abs. 3 GG falle. Im konkreten Fall habe Kellner die Kunstform jedoch lediglich als Vehikel genutzt, um die betroffenen Politikerinnen persönlich zu erniedrigen.


Das Bundesverfassungsgericht schloss sich dieser Bewertung im Ergebnis an. Seine Verfassungsbeschwerde sei bereits unzulässig, da Kellner eine mögliche Verletzung von Art. 5 GG nicht ausreichend dargelegt habe. Er habe es insbesondere versäumt, substantiiert darzustellen, warum seine Verurteilung trotz Berufung auf Kunstfreiheit nicht in Betracht komme. Gerade die entscheidende dogmatische Frage, ob die Annahme von Schmähkritik für die Kunstfreiheit dieselben Folgen habe wie für die Meinungsfreiheit, sei von ihm nicht erörtert worden.


Hilfsweise hatten die Strafgerichte ohnehin eine Abwägung zwischen Kellners Grundrechten und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der betroffenen Politikerinnen vorgenommen. Dabei war deutlich geworden, dass auch im politischen Meinungskampf Grenzen bestehen. Politikerinnen müssen sich zwar eine härtere, auch polemische Kritik gefallen lassen. Formalbeleidigungen oder rein auf das Äußere bezogene Schmähungen, die keinerlei sachlichen Bezug mehr erkennen lassen, gehören jedoch nicht dazu. Besonders schwer wiege zudem, dass es sich bei Kellners Videos nicht um spontane Äußerungen im Eifer einer Debatte gehandelt habe, sondern um sorgfältig geplante und inszenierte Beiträge mit systematischer Wirkung.


Die Entscheidung verdeutlicht einmal mehr die Linie des Bundesverfassungsgerichts: Meinungs- und Kunstfreiheit sind zentrale Grundrechte, sie finden ihre Grenze jedoch dort, wo Persönlichkeitsrechte verletzt werden und die Grenze zur Schmähkritik überschritten wird. Wer öffentliche Personen gezielt beleidigt, kann sich weder auf die Meinungsfreiheit noch auf Satire berufen.

 

Prüfungsrelevanz

Für das Jurastudium und das Referendariat ist der Fall gleich in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung. Er betrifft die Dogmatik der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG, insbesondere die Abgrenzung zwischen zulässiger Meinungsäußerung, polemischer Zuspitzung und unzulässiger Schmähkritik. Daneben zeigt er, dass die Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG nicht schrankenlos gilt, sondern im Konflikt mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht eingeschränkt werden kann. Prozessual interessant ist zudem der Hinweis des BVerfG, dass eine Verfassungsbeschwerde nur dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn die gerügte Grundrechtsverletzung substantiiert dargelegt wird.

 

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