Computergestützter Polizei-Auswahltest war zu intransparent und verletzte den Bewerbungsverfahrensanspruch

Computergestützter Polizei-Auswahltest war zu intransparent und verletzte den Bewerbungsverfahrensanspruch

VG Karlsruhe, Urteil vom 29.07.2025 – 12 K 3606/24

 

Das Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe hat einen computergestützten Auswahltest der Polizeihochschule Baden-Württemberg für rechtswidrig erklärt. Der Test verletzte den Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG, weil die Ergebnisse nicht ausreichend nachvollziehbar waren. Damit rügt das Gericht grundlegende Mängel in der Gestaltung von Auswahlverfahren für den öffentlichen Dienst.


Hintergrund

Ein Bewerber hatte sich über das digitale Portal für den mittleren bzw. gehobenen Polizeivollzugsdienst beworben. Im Testteil „Selbsteinschätzung“ sollten Bewerberinnen und Bewerber mithilfe stufenloser Schieberegler 58 Fragen zu eigener Befähigung und Verhalten beantworten. Die Ergebnisse lagen für den Kläger jeweils knapp unterhalb des Grenzwerts von 100 Punkten – die Folge war seine Ablehnung.

Der Bewerber beanstandete, dass nicht nachvollziehbar sei, wie seine Antworten in das Endergebnis eingeflossen seien. Die Polizeihochschule verwies auf ein „wissenschaftliches Verfahren“, entwickelt von Psychologen, sowie auf die Zertifizierung nach DIN 33430.


Die Entscheidung des Gerichts

Das VG Karlsruhe stellte eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs in mehrfacher Hinsicht fest:

  1. Dokumentationspflicht verletzt – Die Fragen der Selbsteinschätzung, die Antworten des Bewerbers sowie die erwarteten Normwerte wurden nicht dokumentiert.

  2. Unklarheit über Normwerte – Es fehlte eine Begründung, warum bestimmte Vergleichswerte festgelegt worden waren.

  3. Intransparente Gewichtung – Zwar floss der Selbsteinschätzungsbogen nur zu einem Siebtel in die Endbewertung ein, doch blieb unklar, wie die Schieberegler konkret das Ergebnis beeinflussten.

  4. DIN-Zertifizierung nicht ausreichend – Der Verweis auf DIN 33430 genüge nicht, um die Verfassungsmäßigkeit des Verfahrens sicherzustellen.

 

Nach Auffassung des Gerichts reicht es nicht, auf externe Standards zu verweisen. Art. 33 Abs. 2 GG verlange, dass die Auswahlentscheidung sowohl auf leistungsorientierten Kriterien beruht als auch für Bewerber und Gerichte überprüfbar ist.

 

Bedeutung der Entscheidung

Das Urteil hat weitreichende Folgen: Jährlich durchlaufen rund 2.500 bis 3.000 Bewerber diesen Test. Da die Dokumentation und Nachvollziehbarkeit zentrale Mängel aufweisen, könnte die Entscheidung Signalwirkung für weitere Verfahren haben.

 

Fazit

Das VG Karlsruhe macht klar: Leistungsprinzip und Transparenz gehören zusammen. Digitale Auswahltests müssen so gestaltet sein, dass Bewerber und Gerichte nachvollziehen können, wie Antworten in die Bewertung einfließen. Die bloße Berufung auf DIN-Normen reicht nicht. Der Fall zeigt die wachsende Bedeutung rechtsstaatlicher Standards bei digitalisierten Auswahlverfahren im öffentlichen Dienst.

 

Prüfungsrelevanz
  • Art. 33 Abs. 2 GG – Bewerbungsverfahrensanspruch (Leistungsprinzip und Transparenz).

  • Dokumentationspflichten in Auswahlverfahren.

  • Bedeutung und Grenzen von DIN-Normen im Beamtenrecht.

  • Abgrenzung Arbeitsrecht vs. Beamtenrecht in der Eignungsdiagnostik.

 

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