Digitaler Ticketverkauf der Deutschen Bahn verstößt gegen die DSGVO – OLG Frankfurt (Urt. v. 10.07.2025 – Az. 6 UKI 14/24)

Digitaler Ticketverkauf der Deutschen Bahn verstößt gegen die DSGVO – OLG Frankfurt (Urt. v. 10.07.2025 – Az. 6 UKI 14/24)

Die Entscheidung des OLG Frankfurt vom 10. Juli 2025 hat grundlegende Bedeutung für die datenschutzrechtliche Beurteilung von digitalisierten Serviceprozessen. Konkret untersagte das Gericht der Deutschen Bahn (DB), ihre besonders günstigen Ticketmodelle ausschließlich digital und nur gegen Angabe von E-Mail-Adresse oder Handynummer bereitzustellen. Die DB verstieß damit gegen zentrale Prinzipien der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), insbesondere gegen das Koppelungsverbot und das Transparenzgebot.

 

Sachverhalt

Zwischen Oktober 2023 und Dezember 2024 stellte die Deutsche Bahn ihre "Sparpreis"- und "Super-Sparpreis"-Tickets nur noch digital zur Verfügung. Fahrgäste mussten entweder ihre E-Mail-Adresse oder Handynummer angeben, um das Ticket zu erhalten. Ein Ausdruck am Automaten oder Schalter war in diesem Zeitraum nicht möglich. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen sah hierin einen unzulässigen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung und erhob Unterlassungsklage.

 

Rechtliche Bewertung durch das OLG Frankfurt

  1. Unterlassungsanspruch nach § 2 Abs. 1 UKlaG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 lit. a DSGVO

    • Die Verarbeitung personenbezogener Daten muss rechtmäßig, nach Treu und Glauben sowie für die betroffene Person nachvollziehbar erfolgen.

    • Die Zwangsverknüpfung der Ticketbereitstellung mit der Preisgabe von Kommunikationsdaten verletzte diese Grundsätze.

  2. Fehlende Freiwilligkeit der Einwilligung gem. Art. 6 Abs. 1 lit. a, Art. 7 Abs. 4 DSGVO

    • Das OLG stellte fest, dass die Einwilligung nicht freiwillig im Sinne von Art. 4 Nr. 11 DSGVO erfolgt sei.

    • Die Verbraucher hatten keine echte Wahlmöglichkeit. Ein Verzicht auf die Datenangabe führte zum Ausschluss von günstigen Ticketangeboten.

  3. Verstoß gegen das Koppelungsverbot

    • Die Datenverarbeitung war für die Erfüllung des Beförderungsvertrags nicht erforderlich.

    • Das Ticket ist lediglich Nachweis, nicht aber selbst Teil der vertraglichen Hauptleistung.

  4. Marktbeherrschende Stellung der DB

    • Das OLG verwies auf die faktische Alternativlosigkeit der DB im Fernverkehr.

    • Andere Anbieter seien nicht in vergleichbarer Weise zugänglich.

Konsequenzen für die Praxis

  • Die Entscheidung bestätigt, dass eine Datenverarbeitung nicht allein deshalb rechtmäßig ist, weil sie technisch bequem oder wirtschaftlich effizient ist.

  • Unternehmen dürfen digitale Angebote nicht ohne analoge Alternativen gestalten, wenn diese an personenbezogene Daten gekoppelt sind.

  • Der Bundesverband konnte seinen Unterlassungsanspruch gem. § 2 Abs. 1 UKlaG erfolgreich durchsetzen. Die Wiederholungsgefahr war aufgrund der Praxis eindeutig gegeben.

 

Prüfungsrelevanz und Klausurtipp

Diese Entscheidung ist ein Paradebeispiel für die Anwendung datenschutzrechtlicher Grundsätze im Unterlassungsverfahren. Besonders relevant ist die Verknüpfung von DSGVO-Normen mit kollektivem Verbraucherschutz nach dem UKlaG. In der Klausur solltest Du insbesondere auf die Definition der Freiwilligkeit, das Koppelungsverbot und die Frage der Erforderlichkeit für die Vertragserfüllung achten.

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