Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Urteil vom 14. Januar 2025 (1 BvR 548/22) eine der wichtigsten Entscheidungen des Jahres gefällt. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob es verfassungsrechtlich zulässig ist, Veranstalter gewinnorientierter Großveranstaltungen zur Tragung von Mehrkosten für polizeiliche Sicherheitsvorkehrungen heranzuziehen. Das Urteil hat weitreichende Folgen, insbesondere für die Organisation von Hochrisikospielen im Profifußball.
Hintergrund des Falls
Ausgangspunkt der Entscheidung war § 4 Abs. 4 des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes (BremGebBeitrG). Diese Regelung sieht vor, dass Veranstalter:innen gewinnorientierter Großveranstaltungen mit mehr als 5.000 Teilnehmer:innen, bei denen erfahrungsgemäß erhebliche Sicherheitsrisiken bestehen, eine Gebühr für den zusätzlichen Einsatz von Polizeikräften entrichten müssen. Die Höhe der Gebühr orientiert sich am Mehraufwand der Polizei. Das Unternehmen B, das die Spiele der Fußball-Bundesliga organisiert, argumentierte, dass die Gefahrenabwehr und polizeiliche Sicherheitsvorsorge allein staatliche Aufgaben seien und aus Steuermitteln finanziert werden müssten. Es stellte die Vereinbarkeit der Gebührenregelung mit dem Grundgesetz infrage.
Kernaussage des BVerfG
Das BVerfG entschied, dass die Gebührenregelung mit dem Grundgesetz vereinbar ist. In Leitsatz 2 der Entscheidung stellte es fest: „Die Verfassung kennt keinen allgemeinen Grundsatz, nach dem die polizeiliche Sicherheitsvorsorge durchgängig kostenfrei zur Verfügung gestellt werden muss.“
Verfassungsrechtliche Prüfung
1. Gesetzgebungskompetenz (formelle Verfassungsmäßigkeit)
Die Erhebung von Gebühren fällt in den Bereich der nichtsteuerlichen Abgaben, deren Regelungskompetenz gemäß Art. 70 Abs. 1 GG den Ländern obliegt. Das Gericht stellte fest, dass es sich bei der Gebühr nicht um eine Steuer im Sinne des Art. 105 GG handelt, sondern um eine Vorzugslast. Diese dient der Deckung konkreter Kosten, die durch die Sicherheitsleistung der Polizei entstehen.
2. Vereinbarkeit mit Grundrechten (materielle Verfassungsmäßigkeit)
Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG): Die Gebühr greift in die Berufsfreiheit der Veranstalter:innen ein, da sie mit erheblichen finanziellen Belastungen verbunden ist. Das BVerfG sah den Eingriff jedoch als gerechtfertigt an, da die Regelung legitime Gemeinwohlziele verfolgt, verhältnismäßig ist und die Veranstalter:innen nicht unzumutbar belastet.
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- Legitimer Zweck: Ziel der Regelung ist es, die Allgemeinheit von den Kosten zu entlasten und diese auf die wirtschaftlichen Nutznießer:innen zu übertragen.
- Geeignetheit und Erforderlichkeit: Die Gebühr gewährleistet eine gerechte Kostenverteilung, ohne ein milderes Mittel zur Zielerreichung.
- Angemessenheit: Die finanzielle Belastung der Veranstalter:innen steht in einem angemessenen Verhältnis zum Gemeinwohlinteresse.
Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG):
Die Differenzierung zwischen gewinnorientierten und nicht gewinnorientierten Veranstaltungen wurde ebenfalls als gerechtfertigt angesehen. Die Anknüpfung an die Gewinnerzielungsabsicht stellt eine sachliche Differenzierung dar, die eine gerechte Verteilung der Kosten ermöglicht.
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung klärt, dass polizeiliche Sicherheitsmaßnahmen nicht zwingend aus Steuermitteln finanziert werden müssen, wenn ein unmittelbarer Bezug zu gewinnorientierten Veranstaltungen besteht. Veranstalter:innen von Hochrisikospielen müssen daher künftig höhere Kosten einplanen. Dies könnte langfristig dazu führen, dass Veranstalter:innen ihre Sicherheitskonzepte optimieren, um die Gebührenlast zu reduzieren.
Rechtsschutzmöglichkeiten
Veranstalter:innen, die gegen die Gebührenpflicht vorgehen möchten, können dies über den fachgerichtlichen Rechtsweg tun:
1. Anfechtungsklage: Gegen den Gebührenbescheid kann eine Anfechtungsklage nach §§ 40 Abs. 1, 42 VwGO erhoben werden.
2. Verfassungsbeschwerde: Nach Ausschöpfung des Instanzenzugs kann eine Verfassungsbeschwerde gemäß § 90 Abs. 1 BVerfGG eingelegt werden, sofern spezifische Grundrechtsverletzungen vorliegen.
Fazit
Die Entscheidung des BVerfG ist ein wegweisendes Urteil im Spannungsfeld zwischen staatlicher Sicherheitsvorsorge und finanzieller Verantwortung von Veranstalter:innen. Sie schafft Klarheit über die Zulässigkeit von Gebührenregelungen und stärkt die Möglichkeit eines Lastenausgleichs im Sinne des Gemeinwohls.
Für Jurastudierende und Referendar:innen bietet dieser Fall eine hervorragende Gelegenheit, zentrale Fragen des Staatsorganisationsrechts und der Grundrechte zu vertiefen. Insbesondere die Themen Gesetzgebungskompetenz, Verhältnismäßigkeit und der allgemeine Gleichheitssatz sind examensrelevant.