Kein Auskunftsanspruch über Inhalt anonymer Anzeigen beim Finanzamt

Kein Auskunftsanspruch über Inhalt anonymer Anzeigen beim Finanzamt

BFH, Urteil vom 15.07.2025 – IX R 25/24

Anonyme Anzeigen beim Finanzamt sind in der Praxis keine Seltenheit. Für betroffene Steuerpflichtige stellt sich oft die Frage, ob sie Anspruch darauf haben, den Inhalt einer solchen Anzeige einzusehen, um die Hintergründe oder gar den Urheber zu erfahren. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun entschieden, dass der Inhalt anonymer Anzeigen grundsätzlich geheim bleiben darf.


 

Der Sachverhalt

Eine Gastwirtin sah sich mit einer anonymen Anzeige beim Finanzamt konfrontiert. In der Folge führte die Behörde eine sogenannte Kassen-Nachschau nach § 146b AO in ihrem Gastronomiebetrieb durch. Diese ergab jedoch keine Beanstandungen.

Daraufhin beantragte die Gastwirtin Einsicht in ihre Steuerakten und verlangte Auskunft nach Art. 15 DS-GVO über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten. Ihr Ziel: Auf diesem Wege den Inhalt der Anzeige und möglicherweise auch die Identität des Anzeigeerstatters zu erfahren. Das Finanzamt verweigerte die Auskunft, und auch vor dem Finanzgericht blieb die Klägerin erfolglos.

 

Die Entscheidung des BFH

Der BFH wies die Revision der Gastwirtin zurück.

  • Kein Anspruch auf Akteneinsicht: Nach Auffassung des Gerichts überwiegt im Regelfall das Geheimhaltungsinteresse des Anzeigeerstatters und der Finanzbehörde gegenüber dem Offenbarungsinteresse des Steuerpflichtigen. Nur wenn der Steuerpflichtige infolge der Anzeige zu Unrecht strafrechtlich verfolgt würde, könne ausnahmsweise ein Anspruch bestehen.

  • Kein Auskunftsanspruch nach DS-GVO: Zwar könne eine anonyme Anzeige personenbezogene Daten enthalten, doch werde dieser Anspruch durch die Abgabenordnung beschränkt. Nach §§ 32a, 32c AO sei die Auskunft ausgeschlossen, wenn dadurch die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Finanzbehörde gefährdet würde. Dies sei bei anonymen Anzeigen regelmäßig der Fall. Zudem genieße der Anzeigeerstatter besonderen Identitätsschutz.

 

Bedeutung der Entscheidung

Die Entscheidung des BFH stärkt den Schutz von Hinweisgebern im Steuerrecht. Steuerpflichtige können damit nicht auf diesem Wege herausfinden, wer eine Anzeige erstattet hat oder welchen genauen Inhalt sie hatte. Der Rechtsgedanke ähnelt dem Informantenschutz in anderen Rechtsbereichen.

Für Betroffene bedeutet dies aber auch: Sie müssen mit den Konsequenzen einer anonymen Anzeige leben, ohne sich gegen den Anzeigeerstatter selbst wehren zu können. Rechtsmittel bestehen nur dann, wenn aufgrund der Anzeige unrechtmäßig ein Strafverfahren eingeleitet wurde.

 

Fazit

Der BFH hat klargestellt, dass der Schutz der Anonymität und die Funktionsfähigkeit der Steuerverwaltung Vorrang vor dem individuellen Informationsinteresse des Steuerpflichtigen haben. Damit bleibt der Inhalt anonymer Anzeigen beim Finanzamt regelmäßig geheim.

 

Prüfungsrelevanz für Studium und Referendariat

Für die Ausbildung ist die Entscheidung vor allem im Schnittfeld von Steuerverfahrensrecht und Datenschutzrechtinteressant. Wichtig ist das Verständnis von § 146b AO (Kassen-Nachschau), den Akteneinsichts- und Auskunftsrechten sowie deren Beschränkung durch §§ 32a, 32c AO im Verhältnis zu Art. 15 DS-GVO. Die Abgrenzung zwischen datenschutzrechtlichem Auskunftsanspruch und steuerverfahrensrechtlicher Geheimhaltung dürfte in Klausuren oder mündlichen Prüfungen gut als Zusatzfrage auftauchen.

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