FG Münster, Urt. v. 02.09.2025, Az. 1 K 360/25 E
Das Finanzgericht (FG) Münster hat in einer aktuellen Entscheidung klargestellt, dass Opfer von Trickbetrügern ihre finanziellen Verluste nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG geltend machen können. Eine 77-jährige Rentnerin, die 50.000 Euro an Telefonbetrüger übergeben hatte, wollte den Schaden steuerlich kompensieren – ohne Erfolg. Das Gericht wertete den Verlust als Teil des allgemeinen Lebensrisikos.
Der Sachverhalt
Ende 2022 erhielt die Klägerin einen Anruf von einem Mann, der sich als Rechtsanwalt ausgab. Unter Vorspiegelung falscher Tatsachen – ihre Tochter habe angeblich einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht und benötige nun eine Kaution von 50.000 Euro – bewegten die Täter die Frau dazu, den Betrag in bar abzuheben und einem Abholer zu übergeben. Erst im Nachhinein wurde ihr bewusst, dass es sich um einen klassischen Trickbetrug handelte.
Während das Strafverfahren gegen Unbekannt im Sande verlief, versuchte die Frau den Verlust steuerlich als außergewöhnliche Belastung geltend zu machen. Das Finanzamt lehnte dies ab. Dagegen klagte die Rentnerin vor dem FG Münster.
Rechtliche Bewertung des FG Münster
Der 1. Senat wies die Klage ab. Maßgeblich war die Auslegung des § 33 EStG, wonach außergewöhnliche Belastungen nur dann steuerlich berücksichtigt werden, wenn sie sowohl außergewöhnlich als auch zwangsläufig sind.
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Keine Außergewöhnlichkeit: Verluste durch Trickbetrug seien kein atypischer Sonderfall, sondern Ausdruck des allgemeinen Lebensrisikos. Da diese Betrugsmaschen potenziell jeden treffen können, handele es sich nicht um eine außergewöhnliche Belastung im steuerrechtlichen Sinne.
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Keine Zwangsläufigkeit: Nach ständiger Rechtsprechung wird Zwangsläufigkeit nur dann bejaht, wenn der Steuerpflichtige aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen keine Ausweichmöglichkeit hatte. Hier sei der Frau aber eine zumutbare Handlungsalternative offen gestanden: Ein kurzer Anruf bei der Tochter oder der Polizei hätte den Betrug entlarvt. Selbst wenn tatsächlich eine Untersuchungshaft angeordnet worden wäre, hätte keine existenzielle Gefahr bestanden, die eine sofortige Zahlung gerechtfertigt hätte.
Vergleich mit Erpressungsfällen
Zur Verdeutlichung zog das Gericht die Rechtsprechung zu Erpressungskonstellationen heran. Dort wird ebenfalls geprüft, ob sich das Opfer durch eigenes Verhalten in eine erpressbare Lage gebracht hat und ob realistische Handlungsalternativen bestanden. Beides war hier nicht einschlägig – dennoch scheiterte der Abzug am fehlenden Merkmal der Zwangsläufigkeit.
Ergebnis und Ausblick
Das FG Münster entschied, dass die Verluste der Klägerin nicht steuerlich geltend gemacht werden können. Damit bleibt sie auf dem Schaden von 50.000 Euro sitzen. Das Gericht ließ allerdings die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zu – es bleibt also abzuwarten, ob die höchstrichterliche Rechtsprechung diese strenge Sichtweise bestätigt.
Fazit
Das Urteil zeigt deutlich, dass der steuerliche Abzug von Verlusten engen Voraussetzungen unterliegt. Auch tragische Einzelfälle – wie das Opferwerden bei einem Trickbetrug – gelten nicht als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG. Die Entscheidung hat praktische Bedeutung für zahlreiche ähnlich gelagerte Fälle, da Telefon- und Enkeltrickbetrügereien in Deutschland immer häufiger vorkommen.
Prüfungsrelevanz
Für das Jurastudium und das Referendariat ist der Fall aus mehreren Gründen interessant:
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Steuerrecht: Anwendung und Auslegung von § 33 EStG (außergewöhnliche Belastungen).
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Dogmatik: Abgrenzung zwischen allgemeinem Lebensrisiko und steuerlich relevanten Belastungen.
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Klausurtechnik: Übertragung von Grundsätzen aus der Rechtsprechung zu Erpressungsfällen auf Trickbetrug.
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Prozessrecht: Bedeutung der Revisionszulassung zum BFH.