Wegen Überschreitung des zulässigen Nitrat-Grenzwerts verpflichtet das BVerwG den Bund zur Erstellung eines Aktionsprogramms zum Schutz der Gewässer

Wegen Überschreitung des zulässigen Nitrat-Grenzwerts verpflichtet das BVerwG den Bund zur Erstellung eines Aktionsprogramms zum Schutz der Gewässer

BVerwG, Urt. v. 08.10.2025 – 10 C 1.25

 

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat entschieden, dass die Bundesregierung – konkret das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) – verpflichtet ist, ein Nationales Aktionsprogramm zum Schutz der Gewässer vor Nitratbelastungen aus landwirtschaftlichen Quellen zu erstellen.

Mit dem Urteil gab der 10. Senat der Deutschen Umwelthilfe (DUH) Recht, die auf die Erstellung eines solchen Programms geklagt hatte. Das Gericht stellte klar: Die Bundesregierung habe ihre gesetzliche Pflicht aus dem Düngegesetz (§ 13 DüG) bislang nicht erfüllt.

Die Entscheidung gilt als Meilenstein für den Gewässerschutz in Deutschland und stärkt zugleich die Umsetzung der europäischen Nitratrichtlinie (91/676/EWG).

 

Der Hintergrund: Deutschland unter Druck wegen Nitratbelastung

Bereits seit Jahren überschreiten viele deutsche Grundwasserkörper den zulässigen Nitrat-Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter, der nach EU-Recht verbindlich ist. Laut Umweltbundesamt wurde dieser Wert zwischen 2020 und 2022 an rund 26 Prozent der Messstellen mit überwiegend landwirtschaftlicher Nutzung überschritten.

Die Europäische Kommission hatte Deutschland bereits mehrfach wegen unzureichender Umsetzung der Nitratrichtlinie gerügt. Die Bundesregierung reagierte mit mehreren Änderungen der Düngeverordnung (DüV), jedoch ohne das gesetzlich geforderte vorgelagerte Aktionsprogramm zu erarbeiten.

 

Die Klage der Deutschen Umwelthilfe

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) reichte Klage gegen das Bundeslandwirtschaftsministerium ein, weil der Bund seiner Pflicht zur Erstellung eines Nationalen Aktionsprogramms nicht nachgekommen sei.

Die Vorinstanz – das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg – hatte die Klage noch abgewiesen. Das BVerwG hob diese Entscheidung nun auf und verpflichtete das BMEL zur unverzüglichen Erarbeitung eines Aktionsprogramms.

 

Das Urteil: Pflicht des Bundes zur Programmerstellung

Der 10. Senat des BVerwG stellte klar, dass das Düngegesetz den Bund bereits seit 2017 dazu verpflichtet, ein Nationales Aktionsprogramm zu entwickeln.

Die Vorsitzende Richterin Susanne Rublack betonte, dass diese gesetzliche Verpflichtung nicht durch die bloße Existenz der Düngeverordnung ersetzt werden könne:

„Es besteht zwar die Düngeverordnung, ein der Düngeverordnung vorgelagertes Aktionsprogramm ist dagegen noch niemals erstellt worden.“


Damit bestätigte das Gericht die Dualität von Gesetz und Verordnung:

  1. Zuerst muss der Bund ein umfassendes Aktionsprogramm entwerfen,

  2. anschließend sind die Regelungen in der Düngeverordnung an dieses Programm anzupassen.

Das Bundeslandwirtschaftsministerium habe diesen zweistufigen Mechanismus bislang ignoriert – das sei rechtswidrig.

 

Inhaltliche Anforderungen an das Aktionsprogramm

Das BVerwG machte deutlich, dass das künftig zu erstellende Aktionsprogramm

  • geeignet sein muss, den Eintrag von Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen deutlich zu reduzieren,

  • und sicherstellen soll, dass das Grundwasser künftig nicht mehr als 50 Milligramm Nitrat pro Liter enthält.

Damit formuliert das Gericht konkrete Zielvorgaben, an denen das BMEL sich künftig messen lassen muss.

Das Programm soll laut BVerwG „rechtsverbindlich, messbar und überprüfbar“ ausgestaltet sein, um den Gewässerschutz effektiv zu gewährleisten.

 

Reaktionen

DUH: Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Sascha Müller-Kraenner, bezeichnete das Urteil als „historischen Erfolg für sauberes Wasser“. Er forderte eine Beteiligung der Umweltverbände an der Ausarbeitung des Programms.


Wasserwirtschaftsverbände:

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) begrüßte die Entscheidung und forderte strengere Düngeregeln sowie eine transparente Stoffstrombilanz für landwirtschaftliche Betriebe. Auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) sprach von einem „überfälligen Schritt“, um die EU-Nitratrichtlinie endlich wirksam umzusetzen.


Landwirtschaftsvertreter:

Der Deutsche Bauernverband hingegen kritisierte das Urteil. Das Düngerecht sei bereits mehrfach verschärft worden; das Aktionsprogramm sei lediglich ein „formaler Zwischenschritt“, der keine zusätzlichen Umweltverbesserungen bringe, sondern nur Bürokratie verursache.

 

Bedeutung der Entscheidung

Mit dem Urteil BVerwG, Urt. v. 08.10.2025 – 10 C 1.25 verpflichtet das Gericht erstmals ausdrücklich die Bundesregierung, eine umfassende nationale Strategie gegen Nitratbelastung zu erstellen.

Es stärkt die Verbindlichkeit umweltrechtlicher Schutzpflichten des Bundes und zeigt, dass Umweltverbände Anspruch auf Vollzugsdurchsetzung haben.

Die Entscheidung dürfte weitreichende Folgen für das Düngerecht, die Landwirtschaftspolitik und den Gewässerschutz in Deutschland haben. Sie könnte zudem zu einer weiteren Überarbeitung der Düngeverordnung führen.

 

Fazit

Das BVerwG setzt ein deutliches Zeichen: Der Staat darf sich beim Gewässerschutz nicht auf bestehende Regelwerke verlassen, sondern muss aktiv und strukturiert handeln.

Mit dem Urteil wird das Bundeslandwirtschaftsministerium verpflichtet, endlich das seit 2017 gesetzlich geforderte Nationale Aktionsprogramm Nitrat vorzulegen – ein Schritt, der längst überfällig ist.

 

Prüfungsrelevanz für das Jurastudium und Referendariat

Das Urteil ist hoch examensrelevant, insbesondere in den Bereichen Umweltverwaltungsrecht, Europarecht und Staatshaftungsrecht.

Prüfungsrelevante Punkte:

  • § 13 Düngegesetz (DüG) – Pflicht zur Erstellung eines Aktionsprogramms

  • EU-Nitratrichtlinie 91/676/EWG

  • Verhältnis von Bundes- und Landeskompetenzen im Umweltrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG)

  • Verpflichtungsklagen von Umweltverbänden (§ 42 Abs. 2 VwGO, § 3 UmwRG)

  • Umsetzungspflichten aus Unionsrecht (Art. 4 Abs. 3 EUV)

 

Mögliche Prüfungsfrage: Welche rechtliche Verpflichtung hat der Bund zur Erstellung eines Aktionsprogramms zum Schutz der Gewässer vor Nitratbelastung, und wie lässt sich diese gerichtlich durchsetzen?

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