Wer während der Rufbereitschaft im Treppenhaus auf dem Weg zum Einsatz stürzt, erleidet keinen Arbeitsunfall.

Wer während der Rufbereitschaft im Treppenhaus auf dem Weg zum Einsatz stürzt, erleidet keinen Arbeitsunfall.

LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.11.2025 – L 3 U 42/24

Wann greift der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn man während der Rufbereitschaft zu Hause auf einen Einsatz wartet? Mit dieser Frage hatte sich das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg zu befassen – und die Antwort fällt für Betroffene eher ernüchternd aus.

 

Der Fall

Ein 72-jähriger Abschleppdienstfahrer befand sich in Rufbereitschaft zu Hause, als er nachts gegen zwei Uhr alarmiert wurde. Auf dem Weg nach draußen stürzte er im Treppenhaus seines Mehrfamilienhauses über einen Backstein und verletzte sich so schwer, dass er eine Woche im Krankenhaus verbringen musste.

Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Der Mann klagte – erfolglos. Sowohl das Sozialgericht Berlin als auch das LSG schlossen sich der Ansicht der Berufsgenossenschaft an.

Warum kein Arbeitsunfall?

Grundsätzlich umfasst die gesetzliche Unfallversicherung auch den „unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit“ (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Entscheidend ist jedoch, wo dieser Weg beginnt.

Das LSG stellt strikt darauf ab:
Der Versicherungsschutz beginnt erst mit dem Verlassen der Haustür. Der Weg von der Wohnungstür durch das Treppenhaus zur Haustür zählt damit nicht zum versicherten Weg. Da der Mann den versicherten Bereich nie erreicht hatte, lag nach Ansicht des Gerichts kein Arbeitsunfall vor.


Strenger Maßstab – aber bewusst gewählt

Das LSG erkennt selbst an, dass die Grenze „ab der Haustür“ hart ist. Dennoch sei diese starre, objektiv nachvollziehbare Linie notwendig, um Rechtssicherheit zu gewährleisten.

Spannend ist aber der Hinweis, dass es für echtes Homeoffice andere Regeln geben kann. Doch Rufbereitschaft zu Hause sei gerade kein Homeoffice: Der Arbeitnehmer könne seine Zeit frei gestalten und müsse nicht aktiv arbeiten, bis ein Einsatz kommt.

Einordnung

Die Entscheidung zeigt erneut, wie streng die Rechtsprechung beim Beginn des versicherten Weges ist. Wer während der Rufbereitschaft zu Hause stürzt, steht grundsätzlich ohne gesetzlichen Unfallversicherungsschutz da – selbst wenn er sich bereits auf dem Weg zum Einsatz befindet, aber noch innerhalb des eigenen Wohngebäudes.

Für Beschäftigte mit Rufbereitschaft bedeutet das: Erst wenn die Haustür hinter einem ins Schloss fällt, beginnt der versicherte Arbeitsweg.

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