BVerwG, Urteil v. 05.09.2025 – 2 C 12.23
Der Fall sorgt für Aufsehen: Ein ehemaliger deutscher Beamter, der in Spanien wegen zweifachen Mordes und versuchten Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, behält sein Ruhegehalt. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschied, dass ein im Ausland ergangenes Strafurteil nicht automatisch zum Verlust von Versorgungsansprüchen führt. Zudem stellt Mord im privaten Umfeld bei einem Ruhestandsbeamten kein Dienstvergehen mehr dar.
Sachverhalt
Der Beamte trat bereits 2011 in den vorzeitigen Ruhestand und zog nach Teneriffa. Dort tötete er 2019 seine getrenntlebende Ehefrau sowie einen gemeinsamen Sohn; ein weiterer Sohn konnte fliehen.
Das spanische Gericht verurteilte ihn 2022 wegen zweifachen Mordes und versuchten Mordes zu lebenslanger Haft sowie weiteren Freiheitsstrafen.
Daraufhin erhob die Bundesagentur für Arbeit Disziplinarklage mit dem Ziel, das Ruhegehalt aberkennen zu lassen. Nach Niederlagen in den Vorinstanzen bestätigte nun auch das BVerwG: Das Ruhegehalt bleibt bestehen.
Rechtliche Würdigung
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Ausländisches Strafurteil reicht nicht aus (§ 59 Abs. 1 Nr. 2 BeamtVG)
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Ein Beamter verliert seine Versorgungsansprüche nur, wenn ein deutsches Gericht ihn zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt.
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Das spanische Urteil erfüllt diese Voraussetzung nicht, da nur der deutsche Dienstherr über die Aberkennung entscheiden kann.
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Kein Dienstvergehen mehr bei Ruhestandsbeamten (§ 77 BBG)
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Ruhestandsbeamte haben nur noch eine fortwirkende Pflicht zur Verfassungstreue.
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Ein privat motivierter Mord fällt nicht darunter. Dienstvergehen können daher nur noch Handlungen sein, die etwa gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet sind.
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Kein „Femizid“ im Sinne des deutschen Rechts
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Das BVerwG stellt klar: Eine eigenständige Kategorie „Femizid“ gibt es im deutschen Recht nicht.
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Auch das spanische Gericht hatte ausdrücklich geprüft, ob die Taten geschlechtsspezifisch motiviert waren, und dies verneint.
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Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung unterstreicht die engen Grenzen, die das Beamtenversorgungsrecht bei der Aberkennung von Ruhegehalt setzt:
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Schwere Straftaten, selbst Mord, führen bei Ruhestandsbeamten nicht automatisch zum Verlust von Pensionsansprüchen, wenn sie privat motiviert und im Ausland abgeurteilt wurden.
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Eine Aberkennung setzt ein deutsches Strafurteil voraus.
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Für aktive Beamte wäre die Bewertung anders: Hier würde ein Mord unzweifelhaft ein schwerstes Dienstvergehen darstellen, das die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach sich ziehen könnte.
Fazit
Das BVerwG zeigt klare Grenzen auf: Ein Ruhestandsbeamter verliert seine Pension nicht durch ein ausländisches Strafurteil, selbst wenn er wegen Mordes verurteilt wurde. Nur ein deutsches Gericht kann einen solchen Eingriff in Versorgungsrechte auslösen. Zudem beschränkt sich die Disziplinarverantwortung von Pensionären auf die Verfassungstreue – private Verbrechen fallen nicht darunter.
Prüfungsrelevanz
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§ 59 BeamtVG (Aberkennung von Versorgungsbezügen).
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§ 77 BBG (Dienstvergehen von Ruhestandsbeamten).
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Abgrenzung: aktiver Beamter vs. Ruhestandsbeamter.
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Frage nach der Bedeutung ausländischer Strafurteile im deutschen Disziplinarrecht.
Ein examensnaher Fall – besonders für das öffentliche Dienstrecht, Staatsorganisationsrecht und Disziplinarrecht im Assessorexamen.