K.O.-Tropfen sind kein gefährliches Werkzeug i.S.v. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB

K.O.-Tropfen sind kein gefährliches Werkzeug i.S.v. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB

BGH, Beschluss vom 08.10.2024 – 5 StR 382/24, NStZ 2025, 150

 

Ein Mann mischt zwei Frauen Gamma-Butyrolacton (GBL, sog. K.O.-Tropfen) in ihre Getränke, um sie sexuell gefügig zu machen. Er nimmt dabei schwere Gesundheitsgefahren bis hin zum Tod billigend in Kauf. Nach sexuellen Handlungen bricht eine Frau benommen im Garten zusammen und bleibt dort stundenlang bewusstlos liegen. Das Landgericht verurteilt den Täter u. a. wegen besonders schweren sexuellen Übergriffs unter Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs (§ 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB) sowie wegen gefährlicher Körperverletzung (§§ 223, 224 StGB).


Zentrales Problem:

Kann eine Flüssigkeit wie GBL als „gefährliches Werkzeug“ gelten?

  • Literatur und frühere Rechtsprechung: Uneinigkeit. Teilweise wird vertreten, dass Flüssigkeiten erfasst sind, insbesondere, wenn sie schwere Verletzungen hervorrufen können. Andere differenzieren zwischen innerer (Nr. 1: Gift) und äußerer Anwendung (Nr. 2: Werkzeug). Die herrschende Meinung lehnt es ab, Flüssigkeiten als Werkzeug zu begreifen, da der Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch nur feste Gegenstände umfasst (Bestimmtheitsgrundsatz, Art. 103 Abs. 2 GG).

  • BGH-Entscheidung: Flüssigkeiten sind kein gefährliches Werkzeug. Weder GBL selbst noch die Pipette oder die Tasse, über die es aufgenommen wurde, sind in diesem Fall als gefährliches Werkzeug einzustufen.

 

Konsequenzen:

Der BGH verwies die Sache zurück an das LG. Strafbarkeitslücken will er dadurch schließen, dass GBL als „Mittel“ im Sinne des § 177 Abs. 7 Nr. 2 StGB zu werten ist. Das Strafmaß ist mit § 177 Abs. 8 identisch (bis zu 15 Jahre Freiheitsstrafe). Kritisch angemerkt wird allerdings, dass die Mindeststrafen unterschiedlich sind (3 vs. 5 Jahre). Sinnvoller wäre es nach Auffassung der Autoren gewesen, auf § 177 Abs. 8 Nr. 2b StGB (Gefahr des Todes) abzustellen.


Bedeutung für Studium und Praxis:

Der Fall ist prüfungsrelevant vor allem für § 224 StGB (gefährliche Körperverletzung), da dort regelmäßig die Frage gestellt wird, ob Flüssigkeiten als Werkzeug gelten. Die Entscheidung des BGH stärkt die Wortlautgrenze: Flüssigkeiten sind kein Werkzeug – allenfalls das Gefäß, mit dem sie in Kontakt gebracht werden, kann als Werkzeug fungieren. Außerdem zeigt sich die Notwendigkeit einer möglichen Gesetzesänderung, um Strafbarkeitslücken bei K.O.-Tropfen zu schließen.

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