Lebenslange Freiheitsstrafe nach Mannheimer Messerattacke – OLG Stuttgart stellt besondere Schwere der Schuld fest

Lebenslange Freiheitsstrafe nach Mannheimer Messerattacke – OLG Stuttgart stellt besondere Schwere der Schuld fest

OLG Stuttgart Urt. v. 16.09.2025, Az. 5 St 2 BJs 231/24

Die Messerattacke auf dem Mannheimer Marktplatz im Mai 2024, bei der der Polizeibeamte Rouven Laur ums Leben kam, hat bundesweit für Entsetzen gesorgt und eine politische Debatte über die Abschiebung ausländischer Straftäter sowie über ein mögliches Messerverbot entfacht. Nun hat das Oberlandesgericht Stuttgart ein deutliches Urteil gefällt: Der Täter, ein 26-jähriger Afghane, wurde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Mordes verurteilt, zudem stellte das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest.

 

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG Stuttgart verurteilte den Angeklagten Sulaiman A. wegen Mordes an dem Polizeibeamten sowie wegen versuchten Mordes in vier Fällen und gefährlicher Körperverletzung. Nach Auffassung des Senats handelte es sich um ein gezieltes, religiös motiviertes Attentat, das nicht nur den Islamkritiker Michael Stürzenberger treffen sollte, sondern auch möglichst viele weitere Teilnehmer der Kundgebung der Bürgerbewegung Pax Europa (BPE).

Mit der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld (§ 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB) machte das Gericht deutlich, dass eine Aussetzung der Strafe nach 15 Jahren – die bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe grundsätzlich denkbar ist – praktisch ausgeschlossen erscheint. Stattdessen muss mit einer deutlich längeren Haftzeit gerechnet werden.

 

Tat und Hintergründe

Am 31. Mai 2024 attackierte A. auf dem Mannheimer Marktplatz sechs Menschen mit einem Messer, darunter fünf Teilnehmer der BPE-Kundgebung sowie den Polizeibeamten Rouven Laur, der zwei Tage später seinen Verletzungen erlag. Erst durch den Schuss eines weiteren Polizeibeamten konnte der Täter gestoppt werden.

Die Ermittlungen ergaben, dass sich A. über Jahre hinweg radikalisiert und sich mit der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) identifiziert hatte. In einem Telegram-Chat wurde er zudem von einem Kontakt bestärkt, Stürzenberger und weitere Islamkritiker zu töten. Während des Prozesses gestand A. die Tat, zeigte aber nur in Ansätzen Reue. Als persönliches Motiv verwies er auf die Auswirkungen des Gaza-Kriegs ab 2023, der sein Leben geprägt habe.

 

Politische Dimension

Die Tat führte unmittelbar nach der Tat zu einer intensiven politischen Debatte. Im Mittelpunkt standen Fragen nach dem Umgang mit ausländischen Straftätern, deren Asylanträge abgelehnt, Abschiebungen aber ausgesetzt worden waren. Wenige Tage nach der Tat kündigte die Bundesregierung an, künftig auch Abschiebungen nach Afghanistan wieder zu prüfen, wenn es sich um besonders schwere Straftaten handelt. Parallel wurde die Diskussion über ein generelles Messerverbot im öffentlichen Raum erneut entfacht.

 

Fazit

Das Urteil des OLG Stuttgart ist nicht nur eine juristisch klare Verurteilung wegen Mordes und versuchten Mordes, sondern auch ein starkes Signal für die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit religiösem Extremismus und innerer Sicherheit. Die besondere Schwere der Schuld zeigt, dass das Gericht die Dimension und Tragweite der Tat berücksichtigt hat. Gleichwohl bleibt das Urteil noch nicht rechtskräftig – eine Revision ist möglich.

 

Prüfungsrelevanz

Für Jurastudierende und Referendarinnen ist der Fall in mehrfacher Hinsicht interessant:

  • Materielles Strafrecht: Anwendung von § 211 StGB (Mord) und § 57a StGB (besondere Schwere der Schuld).

  • Prozessuales Strafrecht: Zuständigkeit des OLG Stuttgart nach § 120 Abs. 2 Nr. 2 GVG bei Staatsschutzsachen.

  • Gesellschaftsrechtliche Bedeutung: Verbindung von Strafrecht mit migrations- und sicherheitspolitischen Fragen.

  • Examensklassiker: Abgrenzung von Mordmerkmalen (niedrige Beweggründe, Heimtücke, religiöse Motive).

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