BGH, Beschl. v. 06.08.2025 – 6 StR 115/25
- Abgrenzung schwerer Raub (§ 250 Abs. 1 StGB) vs. besonders schwerer Raub (§ 250 Abs. 2 StGB).
- Wann aus schwerem ein besonders schwerer Raub wird
Die strafrechtliche Einordnung von Tatmitteln beim Raub ist von erheblicher Bedeutung für den Strafrahmen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem aktuellen Beschluss klargestellt, dass auch das vermeintlich banale Panzertape als „gefährliches Werkzeug“ einzustufen sein kann, wenn es in einer Weise eingesetzt wird, die erhebliche Verletzungen oder sogar Erstickungsgefahr mit sich bringt. Dies kann die Tat vom „schweren Raub“ zum „besonders schweren Raub“ hochstufen – mit gravierenden Folgen für den Schuldspruch.
Sachverhalt
Der Angeklagte und mehrere unbekannte Mittäter drangen in ein Anwesen ein, um Bargeld und Wertgegenstände zu entwenden. Die beiden anwesenden Männer wurden dabei mit Panzertape gefesselt: Hände auf dem Rücken fixiert, Arme eng am Körper verklebt und der Mund mit mehreren Lagen Klebeband verschlossen. Eines der Opfer wurde zudem zu Boden gestoßen.
Die Geschädigten erlitten Prellungen, Schmerzen sowie Taubheitsgefühle an den Handgelenken. Die Täter erbeuteten über 87.000 Euro.
Das Landgericht Weiden in der Oberpfalz verurteilte den Angeklagten wegen schweren Raubes (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) zu neun Jahren Freiheitsstrafe.
Entscheidung des BGH
Der 6. Strafsenat des BGH nahm eine Schuldspruchkorrektur vor und qualifizierte die Tat als besonders schweren Raub nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB.
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Tatmittel Panzertape: Das Klebeband sei ein gefährliches Werkzeug. Durch die Art der Anwendung (Fesselung, Fixierung, Mundverklebung) habe es erhebliche Gesundheitsgefahren verursacht und sei geeignet gewesen, das Leben der Opfer zu gefährden (Erstickungsgefahr).
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Strafschärfung: Damit lag eine Qualifikation zum besonders schweren Raub vor.
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Kein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO): Zwar darf die Strafe nicht zum Nachteil des Angeklagten verschärft werden, wenn nur er Revision eingelegt hat. Eine Korrektur des Schuldspruchs ist jedoch zulässig, sofern der Angeklagte sich nicht wirksamer hätte verteidigen können. Dies sei hier der Fall gewesen.
An der verhängten Freiheitsstrafe von neun Jahren änderte sich daher nichts, wohl aber an der rechtlichen Einordnung der Tat.
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung zeigt eindrücklich, dass auch Alltagsgegenstände wie Panzertape je nach Einsatzweise als gefährliches Werkzeug gelten können. Entscheidend ist die konkrete Gefährlichkeit der Verwendung: Fixierungen mit Atemwegsverschlüssen oder massiven Fesselungen können nicht mehr nur als Zwangsmittel, sondern als gesundheitsgefährdend und damit strafschärfend bewertet werden.
Für die Strafzumessungspraxis bedeutet dies: Auch scheinbar „banale“ Tatmittel können im Lichte des § 250 StGB eine deutliche Qualifikationswirkung entfalten.
Fazit
Der BGH verdeutlicht mit diesem Beschluss, dass beim Raub nicht nur klassische Waffen oder Waffenattrappen relevant sind. Auch improvisierte Tatmittel können zu einer Strafschärfung führen, wenn sie erhebliche Gefahren für Leib und Leben begründen. Für Täter kann dies den Unterschied zwischen schwerem und besonders schwerem Raub ausmachen – mit entsprechend erhöhtem Strafrahmen.
Prüfungsrelevanz
Für Studierende und Referendar:innen ist der Fall hochrelevant:
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Abgrenzung schwerer Raub (§ 250 Abs. 1 StGB) vs. besonders schwerer Raub (§ 250 Abs. 2 StGB).
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Definition und Auslegung des Begriffs „gefährliches Werkzeug“.
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Bedeutung des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 2 StPO) im Kontext einer Schuldspruchkorrektur.
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Verknüpfung mit § 265 StPO (keine Verteidigungsbeschränkung).
Ein Fall mit hoher Examensnähe – sowohl im schriftlichen Examen (Strafrecht BT II) als auch in der mündlichen Prüfung.