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Beschlussmängelrecht in Personengesellschaften: Der BGH stärkt die Rechte einzelner Gesellschafter

A. Einführung

Das Beschlussmängelrecht spielt eine zentrale Rolle in der internen Organisation von Personengesellschaften. Beschlüsse der Gesellschafter bestimmen wesentliche Weichenstellungen für die Gesellschaft, sei es in finanziellen, strategischen oder organisatorischen Fragen. Doch was passiert, wenn ein Gesellschafter mit einem gefassten Beschluss nicht einverstanden ist und seine Unwirksamkeit gerichtlich feststellen lassen möchte?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Beschluss vom 10. Dezember 2024 (Az. II ZR 37/23) klargestellt, dass keine notwendige Streitgenossenschaft zwischen Gesellschaftern besteht, wenn ein einzelner Gesellschafter die Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses feststellen lassen will. Die Entscheidung betrifft das bis zum 31. Dezember 2023 geltende Beschlussmängelrecht für Personengesellschaften und verdeutlicht, dass ein Gesellschafter nicht zwingend alle anderen Mitgesellschafter in einen solchen Prozess einbeziehen muss.

Mit dieser Entscheidung stärkt der BGH die Rechtsposition einzelner Gesellschafter. Sie können nun gezielt gegen Beschlüsse vorgehen, ohne gezwungen zu sein, eine große Anzahl an Mitgesellschaftern in das Verfahren einzubeziehen. Zudem wird klargestellt, dass ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit auch dann besteht, wenn sich der Gesellschafter nur gegen einen Teil der übrigen Gesellschafter wendet.


B. Hintergrund und Sachverhalt

Die Klägerin ist Kommanditistin einer Immobilienverwaltungsgesellschaft mbH & Co. KG und hält 50 Prozent der Kommanditanteile. Die Beklagten zu 1 bis 3 sind ebenfalls Kommanditisten, allerdings mit jeweils nur 16,67 Prozentder Gesellschaftsanteile. Komplementärin der Gesellschaft ist die Beklagte zu 5, deren Geschäftsführung ursprünglich von der Ehefrau des Beklagten zu 6 ausgeübt wurde. Seit 2015 wird die Geschäftsführung durch den Beklagten zu 6 wahrgenommen.

Am 1. September 2016 fand eine Gesellschafterversammlung statt, auf der mehrere Beschlüsse gefasst wurden. Die Klägerin hielt diese Beschlüsse für unwirksam und wollte ihre Unwirksamkeit gerichtlich feststellen lassen. Das Problem bestand darin, dass sie nicht alle Mitgesellschafter als Beklagte in das Verfahren einbezog, sondern sich nur gegen einen Teil von ihnen richtete. Die Beklagten argumentierten, dass dies unzulässig sei, weil eine notwendige Streitgenossenschaft bestehe und alle Gesellschafter am Verfahren beteiligt werden müssten.

Die Vorinstanzen sahen dies unterschiedlich. Das Oberlandesgericht verneinte eine notwendige Streitgenossenschaft, während die Beklagten darauf bestanden, dass ohne Beteiligung aller Gesellschafter keine wirksame Feststellungsklage geführt werden könne. Die Sache landete schließlich vor dem BGH, der sich mit der Frage auseinandersetzen musste, ob ein Gesellschafter die Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses auch dann gerichtlich feststellen lassen kann, wenn er nicht alle Mitgesellschafter als Streitgenossen in das Verfahren einbezieht.


C. Entscheidung des BGH und rechtliche Analyse

Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass keine notwendige Streitgenossenschaft zwischen den Gesellschaftern besteht, wenn es um die gerichtliche Feststellung der Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses geht. Dies bedeutet, dass ein Gesellschafter nicht alle Mitgesellschafter in das Verfahren einbeziehen muss, wenn er einen Beschluss angreift.

Die Entscheidung beruht auf der bisherigen Rechtsprechung zum Beschlussmängelrecht von Personengesellschaften, das bis zum 31. Dezember 2023 galt. Nach diesem Rechtssystem konnten Gesellschafter gegen Beschlüsse vorgehen, ohne dass zwingend alle anderen Gesellschafter als Partei des Verfahrens involviert werden mussten.

Der BGH betonte zudem, dass ein Gesellschafter ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit eines Beschlusses hat, sobald einer seiner Mitgesellschafter eine abweichende Auffassung zur Wirksamkeit des Beschlusses vertritt. Das bedeutet, dass ein Gesellschafter nicht warten muss, bis sich alle anderen Gesellschafter einer Klage anschließen oder mit dem Vorgehen einverstanden sind. Vielmehr kann er eigenständig handeln und ein Urteil erwirken, das ihn in seinem Gesellschafterstatus rechtlich absichert.

Für die Praxis bedeutet das Urteil, dass Gesellschafter von Personengesellschaften mehr Flexibilität haben, um gegen aus ihrer Sicht fehlerhafte Beschlüsse vorzugehen. Sie sind nicht darauf angewiesen, alle anderen Gesellschafter in das Verfahren einzubeziehen, was insbesondere in gesellschaftsinternen Streitigkeiten von großer Bedeutung ist.

Ein weiteres wichtiges Element der Entscheidung ist die Klarstellung, dass ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO auch dann besteht, wenn der Kläger nur gegen einen Teil der Gesellschafter vorgeht. Dies stellt eine deutliche Stärkung der individuellen Rechte von Gesellschaftern dar, da sie nun leichter die Unwirksamkeit eines Beschlusses gerichtlich feststellen lassen können, ohne auf die Mitwirkung aller anderen Gesellschafter angewiesen zu sein.


D. Bedeutung der Entscheidung und praktische Konsequenzen

Die Entscheidung des BGH hat weitreichende Auswirkungen für Gesellschafter von Personengesellschaften und für die Praxis des Gesellschaftsrechts. Sie stellt klar, dass Gesellschafter selbstständig gegen Beschlüsse vorgehen können, ohne darauf angewiesen zu sein, dass sich alle Mitgesellschafter in einem Verfahren zusammenschließen.

Für Gesellschafter bedeutet dies eine erhebliche Stärkung ihrer Rechte. Wer der Ansicht ist, dass ein Beschluss unwirksam ist, kann seine Unwirksamkeit gerichtlich feststellen lassen, ohne dass er sich mit allen anderen Gesellschaftern über die Klageführung abstimmen muss. Das erhöht die Möglichkeit, gesellschaftsinterne Streitigkeiten effektiver und gezielter zu lösen.

Für Gesellschaften bringt das Urteil mehr Klarheit darüber, wie mit Anfechtungen von Beschlüssen umzugehen ist. Da keine notwendige Streitgenossenschaft besteht, müssen Gesellschaften damit rechnen, dass Beschlussmängelklagen auch von einzelnen Gesellschaftern angestrengt werden können. Dies kann für eine dynamischere Streitkultur innerhalb von Gesellschaften sorgen, aber auch dazu führen, dass interne Konflikte häufiger gerichtlich ausgetragen werden.

Für Rechtsanwälte und Gerichte schafft das Urteil Rechtssicherheit in Bezug auf das Beschlussmängelrecht bei Personengesellschaften. Insbesondere im Hinblick auf das neue Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG), das seit dem 1. Januar 2024 gilt und viele Aspekte des Beschlussmängelrechts neu regelt, gibt der BGH eine wichtige Leitlinie für die Übergangszeit.


Fazit

Der BGH hat mit dieser Entscheidung die Handlungsfreiheit einzelner Gesellschafter erheblich gestärkt. Wer sich gegen einen Gesellschafterbeschluss wehren möchte, muss nicht zwingend alle anderen Gesellschafter in den Rechtsstreit einbeziehen. Die Klarstellung, dass ein Feststellungsinteresse auch dann besteht, wenn nur einige Gesellschafter eine abweichende Auffassung vertreten, schafft mehr Rechtssicherheit und eröffnet neue Möglichkeiten, um gegen fehlerhafte oder streitige Beschlüsse vorzugehen.

Für Personengesellschaften bedeutet dies eine Anpassung an die veränderte Rechtsprechung. Wer Gesellschafterbeschlüsse anfechten oder verteidigen will, muss sich auf die neue prozessuale Lage einstellen. Der BGH hat damit eine maßgebliche Weichenstellung für die künftige Rechtsentwicklung im Gesellschaftsrechtvorgenommen, die insbesondere für Streitigkeiten innerhalb von Personengesellschaften von erheblicher Bedeutung ist.

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