Besamungsfehler bei einer Stute führt nicht automatisch zu einem ersatzfähigen Schaden.

Beschluss vom 14.10.2025 – VI ZR 14/25

Beschluss vom 14.10.2025 – VI ZR 14/25

Pferdezucht ist ein hochpreisiges Geschäft. Zuchthengste werden sorgfältig ausgewählt, Besamungen geplant, Abstammungen nachgewiesen und die erwarteten Eigenschaften der Nachkommen in Geld bemessen. Umso mehr überrascht ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. Oktober 2025 (VI ZR 14/25), in dem es genau um die Frage geht, ob der Vertausch von Samen zweier Zuchthengste einen Schaden im Sinne der §§ 249, 252 BGB darstellt. Die Antwort des BGH: Nicht unbedingt.

Der Fall

Die Klägerin wollte ihre Stute mit dem Samen eines begehrten Springhengstes decken lassen. Mehrere Versuche scheiterten. Ein zweiter Tierarzt sollte die Besamung schließlich durchführen. Dieser hatte jedoch sowohl den ursprünglich ausgewählten Springhengst als auch einen Dressurhengst im Bestand – und verwechselte sie. Die Stute wurde trächtig, aber mit dem falschen Hengst.

Das Fohlen wurde geboren und war genetisch eindeutig dem Dressurhengst zuzuordnen. Die Klägerin war überzeugt: Ein Fohlen aus dem Springhengst hätte einen höheren Marktwert gehabt. Zur Untermauerung ließ sie ein Privatgutachten erstellen, das die Wertdifferenz auf 2.500 Euro bezifferte. Zusätzlich verlangte sie die Erstattung einer Decktaxe von 1.200 Euro.


Die Entscheidung der Vorinstanzen

Amtsgericht und Landgericht gaben der Klägerin nur hinsichtlich der Decktaxe Recht. Die Wertdifferenz lehnten sie ab. Begründung: Es sei nicht sicher vorhersehbar, wie ein Fohlen aus dem gewünschten Hengst sich entwickelt hätte. Die Klägerin legte Revision ein – ohne Erfolg.

 

Der BGH bestätigt diese Linie

Der BGH erkennt zwar an, dass eine Pflichtverletzung des Tierarztes vorliegt. Dennoch fehlt es an einem nachweisbaren Schaden bezüglich des entgangenen Gewinns nach § 252 BGB.

Entscheidend ist das Argument des Senats:

„Der lebende Organismus unterliegt eigengesetzlichen und weitgehend undurchschaubaren Entwicklungsprozessen.“

Das bedeutet: Selbst wenn der gewünschte Hengst besser ist, bleibt völlig offen, wie das konkrete Fohlen sich entwickelt hätte. Ohne Zuchterfahrung der Stute, ohne Daten über bisherige Nachkommen und ohne gesicherte Prognose kann keine solide Schadensschätzung erfolgen. Die hypothetische Wertsteigerung bleibt zu spekulativ.


Warum das wichtig ist

Der Fall zeigt einen Grundsatz, der für viele Schadensfälle im Bereich lebender Tiere gilt: Schadensberechnung setzt belastbare Prognosen voraus. Bei Zuchtergebnissen fehlt diese Belastbarkeit häufig. Die Gerichte sind vorsichtig, weil Wertentwicklungen von Lebewesen nicht linear und vor allem nicht sicher vorhersehbar sind.

Die Beweiserleichterung aus § 287 ZPO hilft hier nur begrenzt. Sie erlaubt Schätzung – ersetzt aber keine Tatsachenbasis.


Ergebnis

  • Pflichtverletzung: Ja

  • Schaden in Form entgangenen Gewinns: Nein

  • Ersatzfähig: Nur die Decktaxe für die Anmeldung im Zuchtverband


Examensrelevanz

Dieser Fall ist ein Lehrstück in Schadensberechnung, § 252 BGB, § 287 ZPO und dem Umgang mit hypothetischen Kausalverläufen.
Ideal geeignet für folgende Konstellationen:

  • entgangener Gewinn

  • Wertdifferenzberechnung bei nicht eindeutig feststellbarer Entwicklung

  • Beweislast und Prognoseanforderungen

Wer in der Klausur sauber argumentiert, zeigt nicht nur Verständnis für die Normen, sondern auch für die ökonomische und biologische Komponente des Falles.

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