Wann beginnt die Verjährung beim Anspruch auf Bauhandwerkersicherheit? BGH, Urteil vom 21.11.2024 – VII ZR 245/23

Wann beginnt die Verjährung beim Anspruch auf Bauhandwerkersicherheit? BGH, Urteil vom 21.11.2024 – VII ZR 245/23

Der Anspruch auf Bauhandwerkersicherheit gemäß § 650f BGB ist ein zentrales Instrument zum Schutz von Werkunternehmern im Baurecht. Doch wann genau beginnt dessen Verjährungsfrist? Mit dieser Frage hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) in einer aktuellen Entscheidung befasst. Im Fokus stand die Problematik des Verjährungsbeginns bei sogenannten verhaltenen Ansprüchen. Die Entscheidung hat erhebliche praktische Relevanz für die Vertragsgestaltung und für die Geltendmachung von Sicherheiten in der Baupraxis.


Sachverhalt: Generalplanervertrag und Sicherheitsverlangen

Die Klägerin (K) war als Unternehmerin im Rahmen eines Generalplanervertrags mit der Beklagten (B) im Jahr 2015 beauftragt worden, Planungsleistungen für den Umbau von Gewerbeeinheiten in Wohnraum für Studierende zu erbringen. Am 15.10.2018 forderte K erstmals eine Bauhandwerkersicherung in Höhe von 1.443.590,21 Euro. Kurz darauf kündigte B den Vertrag wegen angeblicher Pflichtverletzungen fristlos. Mit Klage vom 25.11.2021 verlangte K sodann die Stellung einer Bauhandwerkersicherung in nunmehr erhöhter Gesamthöhe von 4.318.313,55 Euro. B erhob die Einrede der Verjährung.


Rechtlicher Rahmen: § 650f BGB und Verjährung

Nach § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Unternehmer vom Besteller Sicherheit für die vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung verlangen. Die Sicherung soll typischerweise 10 % der Vergütung betragen. Die zentrale Rechtsfrage war nun, wann die Verjährungsfrist für diesen Anspruch beginnt: mit dem Schluss des Jahres gemäß § 199 Abs. 1 BGB oder taggenau mit dem Zeitpunkt des Verlangens?


Entscheidung des BGH: Taggenauer Verjährungsbeginn

Der BGH entschied, dass die Verjährung für den Anspruch auf Bauhandwerkersicherheit taggenau mit dem Verlangen beginnt. Es handelt sich bei § 650f Abs. 1 BGB um einen sogenannten verhaltenen Anspruch, bei dem der Schuldner erst nach Geltendmachung durch den Gläubiger leisten muss. Die Verjährung solcher Ansprüche beginnt nicht gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Jahresende, sondern analog zu § 604 Abs. 5, § 695 S. 2, § 696 S. 3 BGB mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung.


Begründung: Gesetzeslücke und vergleichbare Interessenlage

Der BGH stützte seine Entscheidung auf eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage. Eine spezielle Regelung zum Verjährungsbeginn für § 650f BGB existiere nicht, obwohl eine solche Norm für andere verhaltene Ansprüche vorhanden sei. Zudem sei es sachgerecht, den Verjährungsbeginn an die Geltendmachung zu knüpfen, da der Unternehmer allein über den Zeitpunkt des Sicherungsverlangens entscheidet.


Folgen für die Praxis: Teilverjährung je nach Zeitpunkt der Geltendmachung

Im konkreten Fall hatte K erstmals am 15.10.2018 einen Betrag von 1.443.590,21 Euro geltend gemacht. Diese Forderung war zum Zeitpunkt der Klage im November 2021 bereits verjährt. Die später geltend gemachte Summe von 2.874.723,34 Euro hingegen unterlag noch nicht der Verjährung. Der BGH stellte klar: Die Verjährung beginnt nur in der jeweils geltend gemachten Höhe mit dem Verlangen zu laufen – nicht für den gesamten, noch nicht geltend gemachten Sicherungsanspruch.


Prüfungsrelevanz

Der Fall bietet eine hervorragende Gelegenheit, das Zusammenspiel von Anspruchsentstehung, Fälligkeit und Verjährungsbeginn im Werkvertragsrecht zu verstehen. Besonders examensrelevant ist die Analogie zu den Vorschriften aus dem Recht der Leihe und Verwahrung. Die Entscheidung schärft das Verständnis für verhaltene Ansprüche und deren Besonderheiten beim Verjährungsbeginn. Zudem eignet sich der Fall für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Werkvertrag, Architekten- und Bauträgervertrag.

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