OLG Brandenburg, Urteil vom 04.02.2025 – 6 U 48/24
Die Abgrenzung zwischen Verbraucher und Unternehmer ist im Kaufrecht von zentraler Bedeutung. Davon hängt ab, ob Verbraucherschutzvorschriften – etwa das Widerrufsrecht oder die Unzulässigkeit von Haftungsausschlüssen – greifen. Besonders brisant wird dies im Onlinehandel, wo Plattformen wie eBay von Millionen Privatpersonen genutzt werden, gleichzeitig aber auch Händler ihre Waren anbieten. Das Oberlandesgericht Brandenburg hatte nun zu entscheiden, ob ein langjähriger eBay-Verkäufer mit hunderten Transaktionen automatisch als Unternehmer einzustufen ist – oder ob er weiterhin als Verbraucher handelt.
Der Sachverhalt
Ein privater Verkäufer bot über eBay ein gebrauchtes Boot als „Bastlerobjekt“ bzw. „Ersatzteilspender“ für 7.490 Euro an. In seiner Anzeige erwähnte er, dass er vor einigen Jahren neue Sitze und eine Plane habe einbauen lassen. Ein Käufer erwarb das Boot, widerrief den Kaufvertrag jedoch kurze Zeit später und zahlte den Kaufpreis nicht. Hilfsweise erklärte er den Rücktritt mit der Begründung, die Sitze und die Plane seien mangelhaft.
Der Verkäufer klagte auf Kaufpreiszahlung. Das Landgericht Cottbus wies die Klage zunächst ab, weil es von einem Verbrauchsgüterkauf ausging und den Widerruf für wirksam hielt. Der Verkäufer legte Berufung ein – mit Erfolg.
Die Entscheidung des OLG Brandenburg
Das OLG Brandenburg stellte klar, dass der Kläger in diesem Fall nicht als Unternehmer im Sinne des § 14 BGB, sondern als Verbraucher gehandelt habe.
Die Richter führten aus, dass für die Abgrenzung nicht der innere Wille des Handelnden entscheidend ist, sondern der objektive Geschäftsinhalt und die Begleitumstände. Zwar hatte der Verkäufer seit 15 Jahren rund 600 eBay-Transaktionen getätigt, doch dies entsprach im Durchschnitt lediglich drei Vorgängen pro Monat. Ein planmäßiges, dauerhaftes Anbieten entgeltlicher Leistungen lasse sich daraus nicht ableiten.
Hinzu kam, dass der Verkäufer keinen besonderen Status wie „PowerSeller“ innehatte und die angebotenen Waren bunt gemischt waren – von Schmuck über Bücher bis zu Autozubehör. Eine geschäftsmäßige Struktur war nicht erkennbar. Auch die Tatsache, dass er im Kaufvertrag einen pauschalen Schadensersatzanspruch und einen Gewährleistungsausschluss vereinbart hatte, änderte nichts an dieser Bewertung. Solche Klauseln seien zwar im Privatverkehr ungewöhnlich, führten aber nicht automatisch zur Unternehmereigenschaft.
Konsequenzen für den Fall
Da der Verkäufer als Verbraucher handelte, lag kein Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474 BGB vor. Der Käufer konnte sich daher nicht auf das Widerrufsrecht berufen. Auch ein Rücktritt wegen Sachmängeln war ausgeschlossen, weil das Boot als „Bastlerobjekt“ verkauft wurde und keine Vereinbarung über die Beschaffenheit „neuer“ Sitze oder Plane getroffen war.
Der Käufer blieb damit an den Vertrag gebunden und musste den Kaufpreis zahlen. Der Annahmeverzug des Käufers wurde zusätzlich festgestellt – ein taktisch kluger Schachzug des Klägers, weil dies für den Schutz seines Anspruchs und eine mögliche Vollstreckung von Bedeutung ist.
Bedeutung der Entscheidung
Die Entscheidung zeigt exemplarisch, dass ein häufiger Verkauf über eBay oder andere Plattformen nicht automatisch zur Unternehmereigenschaft führt. Entscheidend sind vielmehr Kriterien wie die Regelmäßigkeit, die Professionalität, die Art der angebotenen Waren und ob ein planmäßiges, auf Dauer angelegtes Geschäft betrieben wird.
Für Verbraucher bedeutet dies, dass sie beim Kauf von Privatpersonen keinen Widerruf und nur eingeschränkte Gewährleistungsrechte haben. Für Verkäufer ist die Entscheidung wichtig, weil sie zeigt, dass sie nicht schon durch eine größere Zahl von Verkäufen ihre Verbrauchereigenschaft verlieren.
Fazit
Das OLG Brandenburg macht deutlich: Ein eBay-Verkäufer wird nicht allein durch die Anzahl seiner Transaktionen automatisch zum Unternehmer. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Im vorliegenden Fall lag daher ein Privatverkauf vor – ohne Widerrufsrecht für den Käufer.
Prüfungsrelevanz für Studium und Referendariat
Für Klausuren bietet der Fall eine ideale Gelegenheit, das Zusammenspiel zwischen Verbraucher- und Unternehmerbegriff (§§ 13, 14 BGB), Widerrufsrecht (§§ 312g, 355 BGB) und Gewährleistungsausschluss (§ 476 BGB) zu wiederholen. Besonders examensrelevant ist die Argumentation des OLG: „Ist der Abschluss eines Vertrags weder überwiegend der gewerblichen noch der selbstständigen beruflichen Tätigkeit des Verkäufers zuzuordnen, ist das Handeln dem privaten Bereich zuzuordnen.“