AG München, Urt. v. 08.07.2025 – 222 C 1531/25
In Zeiten von schnellen Nachrichten und spontanen Absprachen über WhatsApp oder E-Mail verschwimmen die Grenzen zwischen „Zusage“ und „Vertrag“. Dass das gefährlich werden kann, zeigt ein aktuelles Urteil des Amtsgerichts München. Eine Musikgruppe forderte ein Ausfallhonorar, nachdem ein Schützenverein vereinbarte Auftritte abgesagt hatte. Doch das Gericht entschied: Ohne klare Einigung über das Honorar gibt es auch keinen Vertrag – und damit kein Geld.
Der Fall: Zwei Auftritte, keine Preisabsprache
Im Januar 2024 hatte ein Mitglied eines Schützenvereins aus dem Landkreis München eine dreiköpfige Musikgruppe über WhatsApp für zunächst drei Auftritte angefragt. Die Musiker antworteten prompt: „Wir kommen gerne.“ Kurz darauf reduzierte der Verein die Buchung auf zwei Termine und schrieb: „Schickst du mir noch Preisliches?“
Daraufhin erklärte einer der Musiker: „Preislich telefonieren wir.“ Zu einem Telefonat kam es aber nie. Im März sagte der Verein auch die beiden verbleibenden Auftritte ab.
Die Band war überzeugt, es habe sich trotzdem um einen verbindlichen Vertrag gehandelt. Sie verlangte daher ein Ausfallhonorar in Höhe von 1.785 Euro – entsprechend einem Dienstvertrag nach § 611 Abs. 1 BGB.
Die Entscheidung des AG München
Das Amtsgericht München wies die Klage ab. Zwar hätten sich die Parteien über die Termine und die Besetzung der Band geeinigt, doch es fehle an einer abschließenden Vereinbarung über das Honorar.
Nach Ansicht des Gerichts lag ein sogenannter offener Einigungsmangel (§ 154 Abs. 1 BGB) vor. Denn die Formulierung „Preislich telefonieren wir“ zeige deutlich, dass die Musiker selbst noch eine Klärung der Vergütung für notwendig hielten. Damit war beiden Seiten klar: Eine verbindliche Einigung lag noch nicht vor.
Erst wenn die wesentlichen Vertragspunkte – hier insbesondere die Vergütung – abschließend geregelt sind, kann von einem wirksamen Dienstvertrag gesprochen werden. Da diese Absprache nie erfolgt war, kam kein Vertrag zustande.
Folge: Kein Vertrag, kein Ausfallhonorar.
Rechtliche Einordnung: Wann kommt ein Vertrag zustande?
Nach § 145 ff. BGB kommt ein Vertrag durch Angebot und Annahme zustande, wenn Einigkeit über die wesentlichen Punkte (essentialia negotii) besteht. Dazu zählen bei einem Dienstvertrag in der Regel:
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Art und Umfang der Leistung,
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Zeitpunkt der Ausführung,
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und Vergütung, sofern sie für den Parteiwillen von Bedeutung ist.
Zwar kann ein Vertrag auch ohne konkrete Preisvereinbarung wirksam sein (§ 612 Abs. 2 BGB), wenn eine „übliche Vergütung“ anzunehmen ist. Doch im vorliegenden Fall hatten die Musiker selbst signalisiert, dass sie ohne vorherige Absprache keinen festen Preis voraussetzen wollten. Damit fehlte der Bindungswille – und der Vertrag scheiterte.
Fazit: WhatsApp ersetzt keinen Vertrag – und Unklarheit kostet Geld
Das Urteil zeigt, wie wichtig klare Absprachen im geschäftlichen Alltag sind – gerade bei mündlichen oder informellen Vereinbarungen über Messenger-Dienste.
Selbst wenn sich beide Seiten über Termine und Leistungen einig sind, entsteht kein Vertrag, solange eine Partei erkennbar noch über wesentliche Punkte verhandeln möchte.
Für Musiker, Freelancer oder Veranstalter bedeutet das:
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Alle Leistungsinhalte und Preise schriftlich bestätigen,
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bei WhatsApp- oder Mailabsprachen immer eine abschließende Bestätigung einholen („Wir sind uns einig, dass…“),
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und keine Leistungen reservieren, solange offene Punkte bestehen.
Der Fall zeigt:
🎸 Ohne Ton kein Lohn – und ohne Preis keine rechtliche Grundlage.
Prüfungsrelevanz für das Jurastudium und Referendariat
Der Fall ist ein Klassiker zur Vertragsentstehung (§§ 145 ff. BGB) und zum Einigungsmangel (§ 154 BGB). Besonders examensrelevant ist die Abgrenzung zwischen offenem und verstecktem Einigungsmangel sowie die Frage, wann eine Vergütung als vereinbart gilt (§ 612 BGB).
Er eignet sich ideal zur Wiederholung von Angebot, Annahme, essentialia negotii und Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB).