LG Köln, Urteil v. 21.05.2025, Az. 13 S 202/23
Das Landgericht Köln hatte darüber zu entscheiden, ob die Haltung von Hähnen und Bienenvölkern in einem städtischen Wohngebiet eine unzumutbare Beeinträchtigung für Nachbarn darstellt. Der Fall ist ein anschauliches Beispiel für die Anwendung der §§ 1004 und 906 BGB im Nachbarrecht und zeigt, wie Gerichte das Spannungsfeld zwischen Eigentumsfreiheit und nachbarschaftlicher Rücksichtnahme austarieren.
Vom Selbstversorgertraum zum Nachbarschaftsstreit
Ein Grundstückseigentümer hielt in seinem Stadtgarten seit 2019 mehrere Bienenvölker und seit 2021 zusätzlich Hähne und Hühner. Die Nachbarn fühlten sich durch das frühmorgendliche Krähen, den Bienenflug, tote Insekten im Garten und Verschmutzungen im Pool erheblich beeinträchtigt. Sie verlangten die Entfernung der Tiere sowie die Unterlassung der weiteren Haltung.
Das Amtsgericht Köln gab der Klage statt. Der Beklagte wollte sich damit nicht zufriedengeben und legte Berufung ein – erfolglos.
Eigentumsbeeinträchtigung nach § 1004 BGB
Das LG Köln bejahte eine Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB. Besonders das unregelmäßige und impulsive Krähen der Hähne stelle eine lästige und wesentliche Beeinträchtigung dar, die sich nicht auf bestimmte Tages- oder Nachtzeiten beschränken lasse. Gleiches gelte für den massiven Bienenflug und die toten Insekten auf dem Nachbargrundstück.
Keine Duldungspflicht nach § 906 BGB
Eine Duldungspflicht der Kläger bestand nicht. Zwar verpflichtet § 906 BGB Grundstückseigentümer dazu, bestimmte Immissionen zu dulden, wenn diese unwesentlich oder ortsüblich sind. Nach Ansicht des LG Köln waren die Beeinträchtigungen hier jedoch wesentlich: unregelmäßige, laute Geräuschimpulse mindern die Wohnqualität erheblich. Hinzu kamen die Belastungen durch Bienenflug und Verschmutzungen.
Auch die Berufung auf Ortsüblichkeit scheiterte. In einem städtischen Wohngebiet sei eine Tierhaltung dieser Art nicht üblich. Das Gericht stellte klar: Einfamilienhäuser in der Stadt dienen dem Wohnen, der Ruhe und der Erholung – nicht der Landwirtschaft.
Prozessualer Exkurs: Berufung und Widerklage
Das Berufungsverfahren eröffnet eine zweite Tatsacheninstanz, bleibt jedoch grundsätzlich an die Feststellungen des Erstgerichts gebunden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Der Fall eignet sich auch prozessual für eine Examensklausur: Der Beklagte brachte im Verfahren eine Widerklage ein, um die Beseitigung von Bäumen auf der Grundstücksgrenze zu verlangen. Solche Konstellationen bieten Gelegenheit, die Zulässigkeits- und Begründetheitsprüfung der Widerklage im 2. Examen zu üben.
Prüfungsrelevanz von § 906 BGB
Für Klausuren im Zivilrecht ist § 906 BGB besonders relevant. Einwirkungen wie Geräusche, Gerüche oder Erschütterungen sind hinzunehmen, wenn sie nur unwesentlich sind. Wesentlichkeit beurteilt sich nach Art, Dauer und Intensität der Einwirkungen aus Sicht eines verständigen Durchschnittsnutzers. Wesentliche Einwirkungen können ausnahmsweise ortsüblich sein, wenn vergleichbare Belastungen im gesamten Gebiet regelmäßig auftreten. Im urbanen Kontext ist dies selten der Fall.
Fazit
Das LG Köln stellte klar: In städtischen Wohngebieten muss niemand frühmorgendliches Hahnenkrähen oder massiven Bienenflug dulden. Solche Immissionen überschreiten die Schwelle des Zumutbaren und sind nicht ortsüblich. Das Urteil verdeutlicht die Schutzfunktion des § 1004 BGB und die Abgrenzung der Duldungspflichten nach § 906 BGB. Für Studierende ist der Fall eine hervorragende Gelegenheit, die Grundlagen des Nachbarrechts systematisch zu wiederholen.

