Balkonkraftwerke erfreuen sich zunehmender Beliebtheit – auch in Mietwohnungen. Doch was passiert, wenn Mieter:innen ohne Zustimmung des Vermieters eine Solaranlage am Balkon anbringen? Mit dieser Frage befasste sich das Amtsgericht Köln in einer Entscheidung vom 13. Dezember 2024 (Az. 208 C 460/23). Kernpunkt war die Interessenabwägung nach § 554 BGB und die Reichweite des vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache. Der Fall ist nicht nur für die Praxis, sondern auch für die juristische Ausbildung interessant, weil er gleich zwei eher selten geprüfte Normen enthält: § 541 BGB und § 554 BGB.
Sachverhalt
Eine Vermieterin verklagte ihre Mieterin und deren Enkel auf Entfernung eines Balkonkraftwerks. Der Enkel hatte zwei Solarpaneele außen an der Balkonbrüstung angebracht – ohne vorherige Zustimmung der Vermieterin. Diese forderte mit Schreiben vom 2. August 2023 und erneut per Anwalt am 30. November 2023 die Beseitigung. Die Beklagten lehnten dies ab. Daraufhin erhob die Vermieterin Klage.
Rechtliche Würdigung
Gegenüber der Mieterin stützte das Amtsgericht Köln den Beseitigungsanspruch auf § 541 BGB in Verbindung mit dem Mietvertrag. Diese Vorschrift enthält einen speziellen Unterlassungsanspruch im Mietrecht, der als lex specialis den Anspruch aus § 1004 BGB verdrängt. Obwohl § 541 BGB wörtlich nur die Unterlassung vorsieht, umfasst er auch die Beseitigung eines vertragswidrigen Zustands. Die Anbringung der Solaranlage wurde als bauliche Veränderung eingestuft, da sie die Substanz der Mietsache beeinträchtigte und das äußere Erscheinungsbild veränderte.
Entscheidend war jedoch, ob die Mieterin nach § 554 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Anspruch auf Zustimmung zur Installation des Balkonkraftwerks hatte. Diese Norm erlaubt dem Mieter, die Erlaubnis für Maßnahmen zu verlangen, die der Stromerzeugung durch Steckersolargeräte dienen, es sei denn, die Maßnahme ist für den Vermieter unzumutbar. Das Gericht nahm eine Interessenabwägung vor und stellte fest, dass die Vermieterin gewichtige Gründe gegen die Genehmigung hatte. Dazu gehörten insbesondere das nicht abgesicherte Haftungsrisiko bei Sturmschäden oder Unfällen, fehlende Informationen zur fachgerechten Montage sowie die nicht belegte technische Sicherheit der Anlage.
Da die Genehmigung nicht erteilt wurde und keine Anspruchsgrundlage für eine nachträgliche Zustimmung bestand, war die Installation vertragswidrig. Die ordnungsgemäße Abmahnung lag vor, sodass der Anspruch auf Beseitigung bejaht wurde.
Anspruch gegen den Enkel
Gegenüber dem Enkel, der nicht Vertragspartei des Mietvertrags war, stützte das Gericht den Anspruch auf § 1004 Abs. 1 BGB. Die Anbringung der Solarpaneele stellte eine Eigentumsbeeinträchtigung dar. Als mittelbarer Handlungsstörer haftete der Enkel, da er die Anlage selbst montiert hatte. Eine gesetzliche Duldungspflicht bestand wegen der festgestellten Unzumutbarkeit für die Vermieterin nicht.
Ergebnis und Folgen
Das Amtsgericht Köln verurteilte die Mieterin und ihren Enkel gesamtschuldnerisch zur Beseitigung des Balkonkraftwerks einschließlich Halte- und Befestigungskonstruktionen sowie zur Wiederherstellung des ursprünglichen baulichen Zustands. Die Entscheidung macht deutlich, dass Mieter:innen zwar grundsätzlich ein Recht auf die Installation von Steckersolargeräten haben, Vermieter:innen die Zustimmung aber verweigern können, wenn erhebliche Sicherheitsbedenken oder andere gewichtige Nachteile vorliegen.
Prüfungsrelevanz
Für das Examen ist der Fall ein gutes Beispiel für die Anwendung weniger geläufiger Vorschriften wie § 541 BGB und § 554 BGB. Geprüft werden können die Anspruchsvoraussetzungen eines mietrechtlichen Unterlassungs- bzw. Beseitigungsanspruchs, die Abgrenzung zum allgemeinen Eigentumsrecht nach § 1004 BGB, die Interessenabwägung bei Zustimmungspflichten sowie die gesamtschuldnerische Haftung von Vertragsparteien und Dritten.
AG Köln, Urteil vom 13. Dezember 2024 (Az. 208 C 460/23)