BGH, Urt. v. 09.10.2025 – I ZR 183/24
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Preiswerbung unzulässig ist, wenn der sogenannte Referenzpreis – also der niedrigste Preis der vergangenen 30 Tage – für Verbraucher nicht klar, unmissverständlich und gut lesbar angegeben wird. Der Lebensmittel-Discounter Netto Marken-Discount hatte in seinem Prospekt den früheren Preis lediglich in einer schwer lesbaren Fußnote versteckt. Das höchste deutsche Zivilgericht bestätigte nun das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Nürnberg und erklärte die Werbung für irreführend.
Damit stärkt der BGH den Verbraucherschutz und setzt zugleich die europarechtlichen Vorgaben zur Preisangabenverordnung (PAngV) und zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) konsequent um.
Der Fall: Fußnote statt Preistransparenz
Im Mittelpunkt stand eine Netto-Werbung für Kaffee. In dem Prospekt war groß der Angebotspreis 4,44 Euro sowie daneben ein durchgestrichener Preis von 6,99 Euro und ein Rabatt von –36 % angegeben. An der Preisangabe befand sich eine hochgestellte „1“, die auf eine Fußnote am unteren Seitenrand verwies.
Dort stand kleingedruckt: „Bisheriger 30-Tage-Bestpreis, außer: [beworbenes Produkt] 4,44.“
Was nur durch genaues Lesen der Fußnote erkennbar war: Netto hatte das Produkt bereits in den letzten 30 Tagen einmal für denselben Preis von 4,44 Euro verkauft. Der angebliche Rabatt war also in Wahrheit keiner.
Der Rechtsstreit: Von der Wettbewerbszentrale bis zum BGH
Die Wettbewerbszentrale sah darin eine Irreführung nach §§ 5a, 5b UWG sowie einen Verstoß gegen § 11 Abs. 1 PAngV. Sie klagte auf Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten – mit Erfolg:
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Das Landgericht gab der Klage statt.
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Das OLG Nürnberg wies die Berufung von Netto zurück.
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Der BGH bestätigte nun die Entscheidungen der Vorinstanzen.
Das OLG hatte bereits festgestellt, dass der durchschnittliche Verbraucher den „Referenzpreis“ nicht „unschwer“ erkennen könne. Der versteckte Hinweis in der Fußnote genüge nicht den Transparenzanforderungen.
Für Verbraucher sei die Angabe des niedrigsten 30-Tage-Preises eine wesentliche Orientierungshilfe, um den tatsächlichen Wert einer Preisermäßigung einschätzen zu können. Wenn diese Information schwer auffindbar oder missverständlich sei, liege eine Irreführung durch Unterlassen (§ 5a UWG) vor.
Die Entscheidung des BGH: Klare Preisinformationen sind Pflicht
Der I. Zivilsenat des BGH (zuständig für Wettbewerbsrecht) verwarf die Revision von Netto. Das Urteil des OLG Nürnberg stehe im Einklang mit der europäischen Rechtsprechung, insbesondere mit den Vorgaben aus Art. 6a der EU-Preisangabenrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/2161) und der deutschen Umsetzung in § 11 PAngV.
Die Richter betonten, dass Preisnachlässe nur dann zulässig beworben werden dürfen, wenn der niedrigste Gesamtpreis der letzten 30 Tage klar erkennbar und gut lesbar angegeben wird.
Ein Hinweis in einer Fußnote genüge diesen Anforderungen nicht – selbst dann nicht, wenn der Hinweis inhaltlich korrekt sei.
Damit wird für Händler klargestellt:
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Der Referenzpreis muss direkt und deutlich sichtbar bei der Preiswerbung angegeben werden.
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Verbraucher dürfen nicht erst kleingedruckte Texte durchsuchen müssen, um den tatsächlichen Preisvergleich zu verstehen.
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Jede Verschleierung oder Verwirrung über den tatsächlichen Preisvorteil stellt einen Verstoß gegen die PAngV und das UWG dar.
Europarechtlicher Hintergrund: EuGH-Urteil als Leitlinie
Bereits der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im September 2024 entschieden, dass sich Preiswerbung stets auf den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage beziehen muss und Rabattangaben darauf zu berechnen sind. Der EuGH stellte klar: Ziel der Regelung ist es, Scheinrabatte und Preismanipulationen zu verhindern.
Der BGH knüpft mit seiner Entscheidung unmittelbar an dieses Urteil an und stellt sicher, dass deutsche Händler die europäische Verbraucherrechtsprechung konsequent beachten müssen.
Fazit
Der BGH stärkt den Verbraucherschutz im Bereich der Preiswerbung:
Verbraucher sollen sofort erkennen können, ob ein Angebot tatsächlich günstiger ist oder nur als solches erscheint. Preisangaben dürfen nicht durch Fußnoten, Kleingedrucktes oder versteckte Hinweise verfälscht werden.
Für Einzelhändler bedeutet das Urteil:
Transparenz ist Pflicht – wer mit Rabatten wirbt, muss offenlegen, zu welchem Preis das Produkt in den letzten 30 Tagen angeboten wurde. Verstöße können nicht nur abgemahnt, sondern auch gerichtlich untersagt werden.
Prüfungsrelevanz für das Jurastudium und Referendariat
Das Urteil ist besonders examensrelevant im Wettbewerbsrecht:
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§§ 5a, 5b UWG (Irreführung durch Unterlassen / wesentliche Informationen)
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§ 11 Abs. 1 PAngV (Angabe des niedrigsten 30-Tage-Preises)
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Art. 6a Preisangabenrichtlinie (EU) 2019/2161
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Verknüpfung von deutschem Wettbewerbsrecht und EU-Verbraucherrecht
In Klausuren kann das Thema im Zusammenhang mit Rabattaktionen, Online-Werbung oder Preistransparenzpflichten auftauchen. Besonders prüfungsrelevant ist die Frage, wann eine Preiswerbung irreführend ist, obwohl sie formal korrekte, aber versteckte Informationen enthält.

