Radfahrende, die auf einem Fahrradschutzstreifen nicht äußerst rechts fahren, riskieren eine Mithaftung bei Unfällen.

Radfahrende, die auf einem Fahrradschutzstreifen nicht äußerst rechts fahren, riskieren eine Mithaftung bei Unfällen.

LG Lübeck, Urt. v. 13.06.2025 – 9 O 146/24

 

Das Verhältnis zwischen Radfahrenden und Autofahrenden im Straßenverkehr ist von Konflikten geprägt. Besonders heikel wird es, wenn beide dieselbe Fahrbahn nutzen – etwa im Kreisverkehr. Das LG Lübeck hatte nun zu entscheiden, ob ein Radfahrer auf einem Fahrradschutzstreifen im Kreisverkehr das Rechtsfahrgebot (§ 2 Abs. 2 StVO) beachten muss und ob ihm bei einer Kollision mit einem auf dem Schutzstreifen haltenden Pkw ein Mitverschulden anzulasten ist.


 

Sachverhalt

Ein Autofahrer fuhr in einen Kreisverkehr ein, während ein Pedelecfahrer bereits den Fahrradschutzstreifen befuhr. Wegen eines Staus musste der Pkw im Kreisel anhalten. Dabei ragte das Heck des Fahrzeugs noch in den Schutzstreifen hinein. Der Pedelecfahrer fuhr auf und kollidierte mit dem stehenden Pkw. Es entstand Sachschaden, für den die Parteien sich wechselseitig haftbar machten.


Entscheidung des LG Lübeck

Das Landgericht verteilte die Haftung:

  • 65 % Haftung des Autofahrers: Er habe pflichtwidrig auf dem Fahrradschutzstreifen gehalten und damit eine erhebliche Gefährdung geschaffen. Zudem greife die allgemeine Betriebsgefahr des Kfz (§ 7 Abs. 1 StVG) durch.

  • 35 % Haftung des Pedelecfahrers: Trotz bestehender Vorfahrt (§ 8a StVO) habe er gegen das Rechtsfahrgebot (§ 2 Abs. 2 StVO) verstoßen. Dieses gelte auch auf einem Fahrradschutzstreifen, da es sich weiterhin um Fahrbahn handele. Hätte er äußerst rechts gefahren, so die Überzeugung des Gerichts, hätte er das Fahrzeug gefahrlos passieren können.


Das Urteil ist rechtskräftig (LG Lübeck, Urt. v. 13.06.2025 – 9 O 146/24).

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung verdeutlicht:

  • Fahrradschutzstreifen sind keine eigenständigen Radwege, sondern Bestandteil der Fahrbahn. Deshalb gilt dort uneingeschränkt das Rechtsfahrgebot.

  • Radfahrende genießen zwar in vielen Situationen Vorfahrt und besonderen Schutz, müssen aber gleichwohl ihre eigenen Verkehrspflichten strikt beachten.

  • Das Gericht wendet hier das Prinzip der Haftungsabwägung (§ 17 StVG, § 254 BGB) an: Beide Seiten haben durch Pflichtverstöße zur Kollision beigetragen, weshalb die Schadensverteilung nach Quoten erfolgt.

 

Einordnung im Verkehrsrecht

Das Urteil fügt sich in eine Reihe von Entscheidungen ein, die die gegenseitige Rücksichtnahmepflicht (§ 1 StVO)betonen. Während Autofahrende die besonderen Schutzinteressen von Radfahrenden berücksichtigen müssen, entbindet dies letztere nicht von der Pflicht, möglichst rechts zu fahren. Damit wird auch verhindert, dass Radfahrende sich zu weit links positionieren und damit vermeidbare Konflikte provozieren.

 

Fazit

Das LG Lübeck stellt klar: Auch auf Fahrradschutzstreifen gilt das Rechtsfahrgebot. Radfahrende, die hiervon abweichen, riskieren bei Unfällen eine Mithaftung. Dennoch trägt die Hauptlast weiterhin der Autofahrer, insbesondere wenn er den Schutzstreifen blockiert. Die Entscheidung stärkt damit die Rechtssicherheit im Straßenverkehr und mahnt beide Seiten zu erhöhter Sorgfalt.


Prüfungsrelevanz:

Der Fall eignet sich hervorragend für Klausuren im Zivilrecht mit Verkehrsrechtsbezug. Er betrifft die Haftungsverteilung nach §§ 7, 17 StVG, § 254 BGB, die Anwendung des Rechtsfahrgebots (§ 2 Abs. 2 StVO) auf Fahrradschutzstreifen und die Abgrenzung zwischen Fahrbahn und eigenständigen Radwegen. Zudem ist die Entscheidung auch im Assessorexamen als Argumentationsbeispiel für Haftungsquoten von Bedeutung.

 

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