Urteil: OLG Karlsruhe, Urt. v. 07.10.2025, Az. 19 U 121/24
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in einem brisanten Fall über das Geschäftsmodell „Sale and rent back“ entschieden – und stärkt dabei deutlich die Rechte finanziell schwacher Verbraucher. Ein Ehepaar darf sein Fahrzeug behalten und muss zugleich den gezahlten Kaufpreis von 50.000 Euro nicht zurückerstatten. Ursache: ein wucherähnliches Geschäft.
Worum geht es bei „Sale and rent back“?
Das Geschäftsmodell „Sale and rent back“ sorgt seit Jahren für Diskussionen. Es richtet sich vor allem an Menschen, die kurzfristig Geld benötigen, etwa zur Begleichung offener Rechnungen, für Reparaturen oder zur Überbrückung finanzieller Engpässe. Das Prinzip klingt auf den ersten Blick einfach:
Eine Person verkauft ihr Auto an ein spezialisiertes Unternehmen und bekommt sofort einen Kaufpreis ausgezahlt. Direkt im Anschluss wird das Fahrzeug an den ursprünglichen Besitzer zurückvermietet, sodass er es weiterhin täglich nutzen kann. Für viele Betroffene wirkt das zunächst wie eine schnelle, unkomplizierte Lösung, um Liquidität zu gewinnen, ohne auf Mobilität verzichten zu müssen.
Doch hinter dem Modell steckt ein erhebliches wirtschaftliches Risiko:
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Eigentumsverlust: Das Auto gehört nach dem Verkauf nicht mehr dem bisherigen Fahrer – er ist nur noch Mieter.
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Hohe Mietzahlungen: Die Unternehmen verlangen häufig überhöhte Mietraten, die meist in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Nutzungswert stehen.
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Gefahr der Übervorteilung: Wer unter Zeitdruck und aus Not handelt, akzeptiert oft Konditionen, die er in einer stabilen Situation nie unterschreiben würde.
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Extrem niedrige Kaufpreise: Viele Anbieter zahlen Kaufpreise, die weit unterhalb des realistischen Fahrzeugwerts liegen. Genau hier beginnt regelmäßig die rechtliche Problematik.
Damit liegt der Kern des Geschäftsmodells in der Kombination aus Unterwert-Ankauf und anschließender Vermietung, die wirtschaftlich stark zu Lasten derjenigen geht, die das Fahrzeug veräußern. Juristisch steht dabei nicht nur das Mietverhältnis im Fokus, sondern vor allem das Missverhältnis zwischen objektivem Fahrzeugwert und tatsächlich gezahltem Kaufpreis.
Der Fall: Ein 112.000-Euro-Fahrzeug für 50.000 Euro
Das klagende Ehepaar hatte sein Auto für lediglich 50.000 Euro verkauft, obwohl der Marktwert bei rund 112.000 Euro lag. Anschließend mieteten sie das Fahrzeug sofort zurück – ganz im typischen Muster des Modells. Das Landgericht Mannheim sah hierin bereits ein sittenwidriges Missverhältnis und erklärte den Vertrag für nichtig. Der Unternehmer legte Berufung ein – erfolglos.
Die Entscheidung des OLG Karlsruhe: Wucherähnlich und insgesamt nichtig
Das Gericht bejahte ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB. Dem objektiven Fahrzeugwert von rund 112.000 Euro stand ein vereinbarter Kaufpreis von lediglich 50.000 Euro gegenüber, sodass der Käufer das Auto für weniger als die Hälfte des tatsächlichen Wertes erhielt. Nach Auffassung des OLG Karlsruhe liegt damit ein wucherähnliches Rechtsgeschäft vor. Besonders bedeutsam ist zudem, dass das Gericht den Kaufvertrag und den unmittelbar anschließenden Mietvertrag als ein einheitliches Rechtsgeschäft gemäß § 139 BGB wertete. Wird der Kaufvertrag wegen Sittenwidrigkeit als nichtig eingestuft, erfasst die Nichtigkeit folglich auch die daran anknüpfenden Mietverträge.
Ergebnis: Käufer bekommt das Geld nicht zurück
Besonders relevant ist die Frage, ob der Käufer in solchen Fällen den gezahlten Kaufpreis zurückverlangen kann. Das OLG Karlsruhe verneinte dies eindeutig. Nach § 817 Satz 2 BGB kann nämlich niemand, der selbst sittenwidrig handelt, aus diesem eigenen Unrecht bereicherungsrechtliche Ansprüche ableiten. Das bedeutet konkret: Das Ehepaar darf nicht nur das Auto behalten, sondern auch die erhaltenen 50.000 Euro sowie zusätzlich die während der Vertragslaufzeit gezahlten Mietraten. Das Gericht stellte klar, dass ein anderes Ergebnis dem sittenwidrigen Geschäftsmodell keinerlei Risiko auferlegen würde und so dessen Fortführung begünstigt wäre – ein zentraler Aspekt im Interesse des Verbraucherschutzes.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass das OLG München in einem ähnlich gelagerten Fall zu einem anderen Ergebnis kam. Diese Divergenz zwischen den Oberlandesgerichten macht deutlich, dass eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs erforderlich sein wird, um die Rechtsfrage abschließend zu klären.
Bedeutung für die Praxis
Das Urteil stärkt Verbraucher, die in finanzieller Notlage in solche Geschäfte gedrängt wurden. Unternehmen, die „Sale and rent back“ betreiben, müssen ihre Geschäftsmodelle kritisch überdenken. Denn:
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Ein deutlicher Wertunterschied kann bereits eine Sittenwidrigkeit begründen.
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Die Rückforderung des Kaufpreises kann vollständig ausgeschlossen sein.
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Auch Mietverträge können an der Sittenwidrigkeit des Kaufs „mitreißen“.
Gerade Anbieter, die mit finanziell angeschlagenen Personen arbeiten, müssen mit erhöhter rechtlicher Kontrolle rechnen.
Fazit
Das OLG Karlsruhe setzt ein starkes Signal gegen missbräuchliche Geschäftsmodelle im Bereich „Sale and rent back“. Wer Verbraucher durch unangemessen niedrige Kaufpreise übervorteilt, riskiert nicht nur die Nichtigkeit seines Geschäfts, sondern verliert unter Umständen sämtliche finanziellen Ansprüche.
Das Urteil schützt Betroffene effektiv und könnte ein wichtiger Vorbote für eine bundesweit strengere Bewertung solcher Modelle sein – die finale Klärung durch den BGH bleibt abzuwarten.

