BSG, Urteil vom 24.09.2025 – B 2 U 11/23 R
Der kurze Gang zur Kaffeemaschine gehört für viele zum Büroalltag. Doch was passiert, wenn genau dabei ein Unfall passiert? Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hat sich mit dieser Frage beschäftigt und entschieden: Kaffeeholen ist grundsätzlich keine versicherte Tätigkeit – es sei denn, eine betriebliche Gefahr realisiert sich.
Der Fall: Sturz beim Kaffeeholen
Eine Verwaltungsangestellte eines hessischen Finanzamts ging – wie fast jeden Nachmittag – zum Kaffeeautomaten im Sozialraum. Dort stürzte sie auf frisch gewischtem Boden und brach sich einen Lendenwirbel. Sie klagte gegen die Unfallkasse Hessen auf Anerkennung als Arbeitsunfall.
Während das Sozialgericht die Klage abwies, sah das Landessozialgericht (LSG) bereits einen Arbeitsunfall. Nun entschied das BSG (Urt. v. 24.09.2025 – B 2 U 11/23 R):
-
Kaffeeholen ist eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Im Unterschied zum Mittagessen oder Mineralwasser trägt Kaffee nicht unmittelbar zur Aufrechterhaltung der Arbeitskraft bei, sondern gilt als Genussmittel.
-
Aber: Stürzt der Arbeitnehmer durch eine betriebliche Gefahr – hier den frisch gewischten Sozialraum – greift der Versicherungsschutz doch.
Damit gilt: Nicht das Kaffeeholen an sich, sondern die konkrete Gefahr im Betrieb war ausschlaggebend.
Abgrenzung: Eigenwirtschaftlich vs. betrieblich
Nach ständiger Rechtsprechung endet der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn Arbeitnehmer Tätigkeiten aus rein privaten Gründen ausüben (z. B. Rauchen, Kaffeeholen). Anders ist es, wenn der Unfall durch betriebliche Umstände verursacht wird – wie der frisch gewischte Boden in einem vom Arbeitgeber bereitgestellten Raum.
Zum Vergleich: Wer sich auf dem Weg zur Kantine oder gar zum Supermarkt verletzt, genießt meist keinen Schutz, da diese Räume nicht mehr dem Verantwortungsbereich des Arbeitgebers zugerechnet werden.
Weitere Entscheidung: Verschlucken in Besprechung
Ähnlich urteilte das LSG Sachsen-Anhalt (Urt. v. 22.05.2025 – L 6 U 45/23): Ein Bauarbeiter verschluckte sich während einer betrieblich angeordneten Besprechung am vom Arbeitgeber gestellten Kaffee und stürzte. Auch hier wurde ein Arbeitsunfall anerkannt, da Kaffee und Besprechung untrennbar mit dem Betrieb verknüpft waren.
Fazit: Kaffee ist (nicht) Arbeit
Das BSG betont: Kaffee bleibt ein Genussmittel – der Gang zur Maschine ist nicht automatisch unfallversichert. Entscheidend ist, ob sich eine betriebliche Gefahr verwirklicht. Wer im Sozialraum auf nassem Boden ausrutscht, steht unter Versicherungsschutz. Wer dagegen nur den Koffeindurst stillen will, nicht.