Zusammenstoß mit fliegendem Fasan ist keine höhere Gewalt nach § 7 Abs. 2 StVG

Zusammenstoß mit fliegendem Fasan ist keine höhere Gewalt nach § 7 Abs. 2 StVG

Urt. v. 24.09.2025, Az. 5 U 30/25

Das Oberlandesgericht Oldenburg hatte über eine Konstellation zu entscheiden, die in der Praxis selten vorkommt, aber haftungsrechtlich interessante Fragen aufwirft: Ein Motorrad-Beifahrer stürzt, nachdem ein fliegender Fasan mit dem Helm kollidiert. Das OLG bejahte einen Anspruch auf Schmerzensgeld gegenüber der Haftpflichtversicherung des Fahrers und stellte klar, dass es sich dabei nicht um höhere Gewalt handelt.

 

Der Unfallhergang

Der Fahrer und sein Beifahrer waren mit rund 130–140 km/h auf einer Landstraße unterwegs, als ein Fasan im Flug den Helm des Beifahrers traf. Durch den Aufprall kam dieser zu Fall und erlitt erhebliche Verletzungen, darunter Frakturen im Kopf- und Halsbereich. Er war für mehrere Monate arbeitsunfähig.

Vor dem Landgericht Osnabrück verlangte der Beifahrer Schmerzensgeld von der Haftpflichtversicherung des Motorradfahrers. Das LG verneinte eine Haftung – mit der Begründung, es habe sich nicht die Betriebsgefahr des Motorrads verwirklicht, sondern ein von außen kommendes, atypisches Ereignis.

Das OLG korrigierte diese Einschätzung.

Entscheidung des OLG: Betriebsgefahr ist gegeben

Nach § 7 Abs. 1 StVG haftet der Halter für Schäden, die „bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs entstehen. Für das OLG stand fest, dass der Schaden auf die Fahrweise und die Geschwindigkeit des Motorrads zurückzuführen war.

Die Argumentation:

  • Die Wucht des Aufpralls ist unmittelbar auf die hohe Geschwindigkeit zurückzuführen.

  • Das Motorrad schafft erst die Situation, in der ein Kontakt mit erheblicher Energie auftreten kann.

  • Der Schaden entstand daher nicht allein durch den Vogel, sondern durch die Fortbewegung des Motorrads im Straßenverkehr.

Damit war der erforderliche Zurechnungszusammenhang gegeben.

Das Gericht verwies zudem darauf, dass Wildtiere im Straßenverkehr keineswegs atypisch sind. Auch fliegendes Wild sei kein Ereignis „außerhalb jeder menschlichen Einsicht und Erfahrung“, sodass der Haftungsausschluss der höheren Gewalt (§ 7 Abs. 2 StVG) nicht greift.

Kein Mitverschulden wegen fehlender Schutzkleidung

Obwohl der Beifahrer außer dem Helm keine Schutzkleidung trug, nahm das OLG kein Mitverschulden an. Die Verletzungen resultierten aus der extremen Aufpralldynamik des Zusammenstoßes: zusätzliche Schutzkleidung hätte die wesentlichen Schäden nicht verhindert.

Schmerzensgeld in Höhe von 17.000 Euro

Im Ergebnis sprach das OLG dem Beifahrer ein Schmerzensgeld von 17.000 Euro zu. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Einordnung

Die Entscheidung verdeutlicht, dass bei Motorradunfällen ein weiter Betriebsbegriff anzuwenden ist. Auch Situationen, die zunächst als „Zufall“ erscheinen, können dem Betrieb des Fahrzeugs zugerechnet werden, wenn sich die durch Geschwindigkeit und Fahrzeugtyp geschaffene Gefahrenlage realisiert.

Damit stärkt das Urteil die Position von Beifahrern – und bestätigt zugleich, dass Wildtierkollisionen im Straßenverkehr grundsätzlich zu den typischen Risiken gehören, die nicht unter höhere Gewalt fallen.

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