OLG Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss vom 09.09.2025 – 3 U 81/24
Wer einen Interkontinentalflug antritt, sollte nicht auf den letzten Drücker am Flughafen erscheinen. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat klargestellt: Wer lediglich zwei Stunden als Zeitreserve einplant und dadurch wegen eines Staus den Flug verpasst, kann keine Leistungen aus der Reiserücktrittsversicherung erwarten. Das Gericht wertete Verkehrsstaus als „generelles Risiko“, mit dem jeder Reisende rechnen muss.
Der Sachverhalt
Eine Frau wollte im Sommer 2023 von Hamburg nach Hawaii fliegen. Sie reiste mit einem Mietwagen aus Kiel an und fuhr um 4 Uhr morgens los – der Abflug war für 06:45 Uhr angesetzt. Auf der Autobahn kam es aufgrund eines Unfalls zu einer Vollsperrung von mehr als zwei Stunden. Erst um 06:30 Uhr erreichte die Frau den Flughafen, den Flug hatte sie damit verpasst.
Ihre Reiserücktrittsversicherung sollte bei „notwendiger und unvermeidbarer“ Stornierung greifen. Sie verlangte rund 9.000 Euro von der Versicherung, darunter Kosten für verspäteten Reiseantritt und zusätzliche Ausgaben. Das Landgericht wies die Klage ab – die Frau legte Berufung ein.
Die Entscheidung des OLG Frankfurt
Das OLG Frankfurt bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Der 3. Zivilsenat stellte klar, dass die Verschiebung des Reiseantritts nicht „unvermeidbar“ im Sinne des Versicherungsvertrages gewesen sei. Entscheidend sei, ob der Reisende alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen habe, um den Abflug sicherzustellen.
Das Gericht führte aus, dass ein Zeitpuffer von nur zwei Stunden für eine Fernreise mit Abgabe eines Mietwagens unzureichend sei. Jeder Passagier müsse Verzögerungen einkalkulieren – sei es durch Stau, Sicherheitskontrollen oder organisatorische Abläufe am Flughafen. Schwere Verkehrsunfälle mit nachfolgendem Stau seien ein allgemeines Risiko, das sich nur durch frühere Anreise auffangen lasse.
Damit war die Berufung unbegründet: Die Klägerin muss die Kosten für ihre verspätet begonnene Traumreise selbst tragen.
Fazit
Das Urteil verdeutlicht: Bei Fernreisen reicht ein Zeitpuffer von zwei Stunden nicht aus. Wer seine Rechte aus einer Reiserücktrittsversicherung wahren will, muss rechtzeitig und mit ausreichender Reserve am Flughafen erscheinen. Besonders bei interkontinentalen Flügen empfiehlt es sich, deutlich mehr Zeit einzuplanen, um unvorhersehbare Verzögerungen abzufangen.
Prüfungsrelevanz
Für Studium und Referendariat ist die Entscheidung interessant, weil sie den Begriff der „Unvermeidbarkeit“ im Versicherungsrecht konkretisiert. Maßgeblich ist, ob der Versicherungsnehmer durch zumutbare Maßnahmen – hier: frühere Anreise – den Schaden hätte vermeiden können. Der Fall eignet sich als Beispiel für die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe im Versicherungsvertragsrecht.

