Baden-Württemberg plant eine bedeutende Neuerung für das Jurastudium: Künftig soll es Studierenden möglich sein, einen Bachelorabschluss in Rechtswissenschaften zu erwerben. Diese Reform wird von den Regierungsfraktionen der Grünen und CDU unterstützt und soll verhindern, dass Studierende nach einem nicht bestandenen Staatsexamen ohne Abschluss dastehen. Die Einführung eines Jura-Bachelors könnte das Rechtssystem zugänglicher und moderner gestalten – doch was bedeutet das konkret?
Warum ein Jura-Bachelor in Baden-Württemberg?
Mit dem Jura-Bachelor möchte Baden-Württemberg das Jurastudium für mehr Studierende attraktiv und flexibel machen. Der lange und anspruchsvolle Examensweg schreckt viele Interessierte ab, obwohl sie an einem rechtswissenschaftlichen Studium interessiert sind. Der Bachelorabschluss würde ihnen eine Alternative bieten, schneller ins Berufsleben einzusteigen und gleichzeitig ein solides juristisches Fundament zu erhalten. Zudem hilft der Jura-Bachelor, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, indem er Absolventen hervorbringt, die für juristische Tätigkeiten geeignet sind, ohne zwingend ein Staatsexamen absolvieren zu müssen. Unternehmen und Behörden suchen verstärkt nach Fachleuten mit juristischem Wissen, die keine Volljuristen sein müssen.
Gesetzesänderung für den Jura-Bachelor
Damit Universitäten den Jura-Bachelor einführen können, soll das Landeshochschulgesetz entsprechend angepasst werden. Ein Antrag der Regierungsfraktionen der Grünen und CDU unterstützt diese gesetzliche Anpassung, um die juristische Ausbildung den Bedürfnissen der heutigen Studierenden und des Arbeitsmarktes anzupassen. Laut Michael Joukov, Sprecher für Wissenschafts- und Hochschulpolitik der Grünen, ist die Neuregelung eine wichtige Absicherung für Studierende:
„Wir schaffen endlich die Ungerechtigkeit ab, dass Studierende nach jahrelanger Arbeit ohne Abschluss dastehen. Unser Jura-Bachelor wertschätzt die erbrachten Leistungen und eröffnet neue berufliche Perspektiven.“
Problem: Keine Pflicht zur Einführung
Der integrierte Bachelor ist nicht verpflichtend, sodass Universitäten selbst entscheiden können, ob sie ihn anbieten. Während die Universität Konstanz die Einführung vorbereitet und Mannheim bereits seit 2008 erfolgreich den integrierten Bachelor „Unternehmensjurist“ anbietet, verzichten Universitäten wie Tübingen, Heidelberg und Freiburg aktuell darauf. Dies könnte negative Auswirkungen auf die Attraktivität dieser Universitäten haben, insbesondere für Tübingen, das bereits mit einem schlechten Ruf unter Studierenden zu kämpfen hat.
5 Jahresplan als Modellversuch
Die Einführung des integrierten LL.B. in Baden-Württemberg ist als fünfjähriger Modellversuch geplant und wird nach dieser Zeit evaluiert. Die konkrete Ausgestaltung liegt bei den Universitäten, einschließlich möglicher Rückwirkungsregelungen. Die Landesfachschaft Jura kritisiert, dass weder Anreize noch Verpflichtungen geschaffen wurden, den Bachelor einzuführen, und verweist auf den hohen Aufwand durch Modularisierung und Akkreditierung. Voraussichtlich wird der integrierte LL.B. nur an der Universität Konstanz umgesetzt. Dies ist problematisch, da jedes Jahr ca. 392 Studierende das erste Staatsexamen nicht bestehen und dem Arbeitsmarkt fehlen.
Diese Personen sind einerseits für nicht-akademische Berufe überqualifiziert und andererseits für akademische Berufe unterqualifiziert. Staatliche Berufswege bleiben aus, obwohl das Problem seit Jahrzehnten offensichtlich ist. Viele Betroffene stehen ohne Abschluss da und müssen hohe Bildungskredite zurückzahlen. Sie sind gezwungen, zunächst einfache Jobs anzunehmen oder staatliche Leistungen in Anspruch zu nehmen. Diese Situation wird sich nicht ändern, solange sie keine Ausbildung oder ein anderes Studium beginnen – eine weitere vermeidbare psychische Belastung.
Eine Anerkennung des LL.B. würde diesen Personen zumindest den Einstieg in akademische Berufe ermöglichen, sodass sie sich erneut auf dem Arbeitsmarkt beweisen und weiterentwickeln können. Zudem bestünde die Möglichkeit, einen Master anzuschließen und sich auf ein bestimmtes Fachgebiet zu spezialisieren.
Da diese Problematik nur durch staatliche Maßnahmen gelöst werden kann, ist festzustellen, dass der Staat hier erneut sehenden Auges versagt hat. Es handelt sich um eine unzureichende Leistung, die auf Kosten der betroffenen Personen und letztlich der gesamten Gesellschaft geht.
Universität Konstanz als Vorreiter
Die Umsetzung der neuen Regelungen soll zunächst an der Universität Konstanz beginnen, bevor eine landesweite Einführung erfolgt. Konstanz wird damit als Pilotstandort eine zentrale Rolle bei der Einführung des Jura-Bachelors einnehmen und könnte das Modell für andere Hochschulen in Baden-Württemberg und darüber hinaus prägen.
Jura-Bachelor als alternative Perspektive
Im Jahr 2021 scheiterten in Baden-Württemberg 392 Studierende am ersten Staatsexamen, 73 von ihnen endgültig. Ein rechtswissenschaftlicher Bachelorabschluss würde diesen Studierenden eine neue Perspektive bieten: Auch wenn er nicht den Zugang zum juristischen Vorbereitungsdienst für klassische juristische Berufe wie Richter oder Anwalt ermöglicht, schafft er dennoch Möglichkeiten. Ein Bachelorabschluss erlaubt ihnen, ein Masterstudium im Bereich Rechtswissenschaften oder in einem anderen Fach aufzunehmen und so ihre beruflichen Chancen zu erweitern.
Fazit: Der Jura-Bachelor als zukunftsweisendes Studienmodell
Die Einführung eines Jura-Bachelors in Baden-Württemberg ist ein wichtiger Schritt, um das Jurastudium modern und flexibel zu gestalten. Dieser Studiengang könnte für viele Studierende eine attraktive Alternative zum Staatsexamen darstellen und den Weg in juristisch geprägte Berufe öffnen. Während das Staatsexamen weiterhin Voraussetzung für klassische juristische Karrieren bleibt, bietet der Jura-Bachelor eine zusätzliche Option, die den sich wandelnden Bedürfnissen des Arbeitsmarktes gerecht wird.
Diese Reform zeigt, dass sich die deutsche Bildungslandschaft auf die Anforderungen der heutigen Zeit einstellt. Der Jura-Bachelor könnte bald nicht nur in Baden-Württemberg, sondern auch bundesweit zu einer Alternative im Jurastudium werden – und so den Weg zu einer flexibleren Juristenausbildung ebnen.
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