I. Einleitung
Mit der zunehmenden Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in den Kanzleialltag ergeben sich für Rechtsanwälte neue berufsrechtliche Herausforderungen. Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat Anfang Januar einen Leitfaden zur Anwendung von KI in Anwaltskanzleien veröffentlicht, der insbesondere Risiken wie Halluzinationen und Bias in Sprachmodellen adressiert. Neben allgemeinen rechtlichen Vorgaben sind spezifische berufsrechtliche Vorschriften wie die §§ 43, 43a II Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) sowie die Verordnung über Künstliche Intelligenz (KI-VO) zu beachten.
II. Grundsatz der höchstpersönlichen Leistungserbringung
Nach § 43 Satz 1 BRAO in Verbindung mit § 613 BGB besteht für Rechtsanwälte die Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung. Dies bedeutet, dass KI-gestützte Inhalte stets einer eigenverantwortlichen Überprüfung und Endkontrolle durch den Anwalt unterzogen werden müssen. Bei der Nutzung gegenüber Mandanten ist sicherzustellen, dass eine individuelle Einzelfallprüfung und -beratung erfolgt. Eine anwaltliche Nutzungspflicht könnte sich lediglich bei der Bearbeitung von Massenverfahren aus § 5 Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) ergeben.
III. Verschwiegenheitspflicht und Datenschutz
Die strafbewehrte Verschwiegenheitspflicht gemäß §§ 43a II 2, 43e BRAO sowie § 2 BORA i.V.m. der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) setzt enge Grenzen für den Umgang mit mandatsbezogenen Daten. Die BRAK empfiehlt, KI-Dienste wie ChatGPT nur auf Basis schriftlicher Verträge mit klar definierten gesetzlichen Mindestinhalten und unter Einhaltung des "Need-to-know"-Prinzips einzusetzen. Dies schließt praktisch den Zugriff solcher Dienste auf Mandatsgeheimnisse aus und erfordert Serverstandorte innerhalb der EU, um das geforderte Schutzniveau zu gewährleisten.
IV. Organisationspflichten nach der KI-VO
Gemäß Art. 4, 3 Nr. 4 und Nr. 56 der KI-VO sind Anwaltskanzleien ab Februar 2025 verpflichtet, interne Mitarbeiteranweisungen und Schulungen zum sicheren Umgang mit KI durchzuführen. Zudem ist im Einzelfall ein Risikomanagementsystem erforderlich, um ausreichende Kompetenzen im Umgang mit KI-Technologien aufzubauen. Ab dem 2. August 2026 besteht gemäß Art. 50 Abs. 1, 2, 5 und Art. 3 Nr. 3 KI-VO die Pflicht zur Kennzeichnung intern entwickelter Interaktionssysteme wie Chatbots und deren Outputs. Davon ausgenommen sind überprüfte Texte wie Blogbeiträge.
V. Ausblick und rechtspolitische Entwicklungen
Die Diskussion um den Einsatz von KI im Anwaltsberuf entwickelt sich dynamisch. Bisher fehlen klare Leitlinien aus der Rechtsprechung. Es bleibt abzuwarten, ob und inwiefern andere Regulierungssysteme, etwa aus Singapur oder Illinois (USA), als effektiver gelten oder Wechselwirkungen mit der deutschen Rechtslage entstehen.
VI. Fazit
Die Nutzung von KI in Anwaltskanzleien bietet erhebliche Potenziale zur Effizienzsteigerung, erfordert jedoch die strikte Beachtung berufsrechtlicher Vorgaben. Die eigenverantwortliche Kontrolle von KI-generierten Inhalten, der Schutz von Mandatsgeheimnissen sowie organisatorische Vorkehrungen sind zwingend erforderlich, um rechtlichen und ethischen Standards gerecht zu werden. Eine kontinuierliche Anpassung an rechtspolitische Entwicklungen wird notwendig sein, um die Chancen von KI verantwortungsvoll zu nutzen.