Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) hat in den letzten Jahren auch in der Rechtsberatung und Prozessführung an Bedeutung gewonnen. KI-gestützte Tools versprechen nicht nur Effizienzsteigerungen, sondern auch eine höhere Präzision bei der Bearbeitung juristischer Fragestellungen. Doch diese Entwicklung bringt nicht nur Vorteile, sondern auch erhebliche berufsrechtliche Risiken mit sich. Der folgende Beitrag beleuchtet die Herausforderungen, die der Einsatz von KI für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte mit sich bringt, und zeigt, welche rechtlichen Rahmenbedingungen sowie ethischen Anforderungen dabei zu beachten sind.
KI im Anwaltsberuf: Chancen und Risiken
Künstliche Intelligenz bietet vielfältige Möglichkeiten, den Arbeitsalltag von Anwältinnen und Anwälten zu erleichtern. Anwendungen wie Vertragsanalyse, Rechtsrecherche oder automatisierte Erstellung von Schriftsätzen sind nur einige der Beispiele. Gleichzeitig stellt der Einsatz solcher Technologien die Berufsgruppe vor grundsätzliche Fragen zur Haftung, Verschwiegenheitspflicht und Mandantenverantwortung.
Effizienzgewinn und mögliche Fallstricke
Die Nutzung von KI kann Routineaufgaben erheblich beschleunigen und die Fehleranfälligkeit bei der Bearbeitung großer Datenmengen reduzieren. Gleichzeitig birgt die Automatisierung das Risiko, dass Fehler durch die Maschine nicht erkannt oder sogar vervielfältigt werden. Für Anwältinnen und Anwälte bleibt jedoch die Verantwortung bestehen, alle Ergebnisse kritisch zu prüfen und zu bewerten.
Gefahr der Abhängigkeit
Ein weiteres Risiko besteht in der Abhängigkeit von KI-Diensten. Insbesondere dann, wenn KI-Modelle nicht transparent arbeiten, kann es schwerfallen, die Qualität und Richtigkeit der Ergebnisse zu beurteilen. Dies steht im Widerspruch zur berufsrechtlichen Verpflichtung, Mandate mit der gebotenen Sorgfalt zu bearbeiten (§ 43a BRAO).
Berufsrechtliche Risiken beim Einsatz von KI
Der Einsatz von KI wirft zahlreiche berufsrechtliche Fragen auf, die sowohl die anwaltliche Unabhängigkeit als auch die Verantwortung gegenüber Mandantinnen und Mandanten betreffen. Zu den zentralen Aspekten gehören:
1. Verschwiegenheitspflicht
Nach § 43a Abs. 2 BRAO ist die Verschwiegenheit eine der grundlegenden Berufspflichten von Anwältinnen und Anwälten. Beim Einsatz von KI ist sicherzustellen, dass keine vertraulichen Mandantendaten unbefugt offengelegt werden. Besonders problematisch ist dies bei der Nutzung externer KI-Dienste, deren Datenverarbeitung häufig nicht vollständig transparent ist.
2. Haftungsfragen
Der Einsatz von KI entbindet Anwältinnen und Anwälte nicht von ihrer eigenen Verantwortung. Fehler, die durch KI verursacht werden, können zu einer Haftung führen, wenn die Ergebnisse nicht ausreichend geprüft werden. Nach § 276 BGB haften Anwältinnen und Anwälte für jede Form von Fahrlässigkeit, was die sorgfältige Überprüfung aller von KI generierten Inhalte zwingend erforderlich macht.
3. Unabhängigkeit
Die anwaltliche Unabhängigkeit, geregelt in § 43a Abs. 1 BRAO, könnte durch den Einsatz von KI gefährdet werden, wenn Entscheidungen unkritisch auf Basis von maschinellen Vorschlägen getroffen werden. Die finale Bewertung und Entscheidung muss stets durch die Anwältin oder den Anwalt erfolgen.
4. Mandantenaufklärung
Nach § 49b Abs. 5 BRAO sind Anwältinnen und Anwälte verpflichtet, Mandantinnen und Mandanten transparent über den Einsatz von Technologien wie KI aufzuklären, insbesondere wenn diese maßgeblich zur Mandatsbearbeitung eingesetzt werden. Eine fehlende Aufklärung kann zu Vertrauensverlust oder sogar berufsrechtlichen Konsequenzen führen.
Regulierung des KI-Einsatzes im Rechtswesen
Die Regulierung des KI-Einsatzes im Rechtswesen ist noch in der Entwicklung. Die Europäische Union hat mit dem Entwurf des Artificial Intelligence Act (AIA) einen ersten Rahmen geschaffen, der die Nutzung von KI-Systemen in verschiedenen Bereichen regeln soll. Für den Anwaltsberuf könnten daraus folgende Anforderungen resultieren:
1. Transparenzpflichten: KI-Systeme, die in der Rechtsberatung eingesetzt werden, müssen ihre Funktionsweise nachvollziehbar darlegen. Dies erfordert eine klare Dokumentation der Algorithmen und Entscheidungskriterien.
2. Risikobasierter Ansatz: Der AIA sieht vor, KI-Anwendungen je nach Risikostufe unterschiedlich zu regulieren. Systeme, die in der Rechtsberatung eingesetzt werden, könnten als „hochrisikorelevant“ eingestuft werden und damit strengen Auflagen unterliegen.
3. Verbot bestimmter KI-Technologien: Der Einsatz manipulativer oder diskriminierender KI-Systeme könnte untersagt werden, was auch Auswirkungen auf den Einsatz von KI in der anwaltlichen Praxis hätte.
Ethische Anforderungen und Verantwortung
Neben den rechtlichen Rahmenbedingungen spielen auch ethische Überlegungen eine zentrale Rolle beim Einsatz von KI im Anwaltsberuf. Die Anwaltschaft trägt eine besondere Verantwortung, den Zugang zum Recht zu sichern und die Interessen der Mandantinnen und Mandanten zu wahren. Dies schließt ein:
- Kritische Nutzung von KI: Anwältinnen und Anwälte sollten KI-Tools nur als unterstützende Hilfsmittel betrachten und deren Ergebnisse stets eigenständig prüfen.
- Fairness und Nichtdiskriminierung: Der Einsatz von KI darf nicht dazu führen, dass benachteiligte Gruppen weiter diskriminiert werden. Dies erfordert eine bewusste Auswahl und Kontrolle der eingesetzten Systeme.
- Weiterbildung: Die fortschreitende Digitalisierung verlangt von Anwältinnen und Anwälten eine stetige Weiterbildung, um die Chancen und Risiken von KI-Technologien kompetent bewerten zu können.
Fazit: Chancen nutzen, Risiken minimieren
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bietet Anwältinnen und Anwälten große Chancen, die Arbeit effizienter und präziser zu gestalten. Gleichzeitig dürfen die berufsrechtlichen Risiken nicht unterschätzt werden. Verschwiegenheit, Unabhängigkeit und die Sorgfaltspflicht bleiben zentrale Werte, die durch den Einsatz von KI nicht gefährdet werden dürfen.
Eine klare Regulierung, ethische Leitlinien und ein bewusster Umgang mit der Technologie sind unerlässlich, um das Potenzial von KI im Anwaltsberuf verantwortungsvoll zu nutzen. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Integration von KI nicht nur den Berufsstand stärkt, sondern auch das Vertrauen der Mandantinnen und Mandanten erhält.