Direkt zum Inhalt

Vermögensminderung im Zugewinnausgleich: Beweislast, Illoyalität und die Rolle des § 1375 Abs. 2 BGB

A. Einführung

Nach einer Scheidung stellt sich oft die Frage, wie das während der Ehe erworbene Vermögen unter den Ehepartnern aufgeteilt wird. Im Güterstand der Zugewinngemeinschaft wird dazu ein Zugewinnausgleich durchgeführt: Der Ehegatte, der während der Ehezeit einen höheren Vermögenszuwachs erzielt hat, muss die Hälfte des Überschusses an den anderen ausgleichen.

Doch was passiert, wenn ein Ehegatte sein Vermögen nach der Trennung drastisch reduziert? Kann er dadurch seinen Zugewinnausgleich manipulieren? Genau mit dieser Frage musste sich der Bundesgerichtshof (BGH) im Beschluss vom 13. November 2024 (XII ZB 558/23) befassen.

Im Mittelpunkt der Entscheidung steht die Regelung des § 1375 Abs. 2 BGB, die verhindern soll, dass ein Ehegatte sein Vermögen absichtlich verringert, um den anderen zu benachteiligen. Der BGH stellte klar, dass derjenige, dessen Vermögen nach der Trennung stark geschrumpft ist, beweisen muss, dass diese Vermögensminderung nicht illoyal war.

Das Urteil verdeutlicht, dass Gerichte den Vermögensverfall nach einer Trennung genau untersuchen müssen. Dabei gilt: Wer große Summen ausgibt oder verschwinden lässt, muss darlegen, wohin das Geld geflossen ist – andernfalls wird die Vermögensminderung dem Endvermögen fiktiv hinzugerechnet.


B. Hintergrund und Sachverhalt

Die Eheleute in diesem Fall heirateten 2014 und lebten gemeinsam in Katar. 2017 kehrte die Ehefrau nach Deutschland zurück, während der Ehemann weiterhin im Ausland blieb. Nach der Scheidung forderte die Frau einen Zugewinnausgleich, da der Mann während der Ehe erhebliches Vermögen erwirtschaftet hatte.

Der Ehemann gab an, dass sein Vermögen zum Trennungszeitpunkt am 17. September 2017 152.709,23 € betragen habe. Zum Zeitpunkt der Scheidung war jedoch nur noch 27.014,16 € übrig.

Die Ehefrau warf ihm vor, sein Vermögen absichtlich verschoben oder verbraucht zu haben, um den Zugewinnausgleich zu minimieren. Sie verlangte deshalb einen höheren Zugewinnausgleich.

Das Amtsgericht folgte ihrer Argumentation und sprach ihr 54.870,02 € zu. Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart reduzierte diesen Betrag auf 36.717,63 €, da es die Beweislastumkehr nach § 1375 Abs. 2 BGB nicht für anwendbar hielt.

Die Ehefrau legte daraufhin Rechtsbeschwerde beim BGH ein, um den vollen Zugewinnausgleich zu erhalten.


C. Entscheidung des BGH und rechtliche Analyse

Der BGH hob die Entscheidung des OLG auf und stellte klar, dass die Beweislastumkehr nach § 1375 Abs. 2 BGB hier greift. Das bedeutet, dass der Ehemann hätte beweisen müssen, dass sein Vermögen nicht absichtlich zur Reduzierung des Zugewinnausgleichs verbraucht wurde.


I. Der Zweck von § 1375 Abs. 2 BGB

§ 1375 Abs. 2 BGB schützt den Ehepartner vor einer illoyalen Vermögensverschiebung nach der Trennung. Wer nach der Trennung große Summen ausgibt oder sein Vermögen versteckt, muss nachweisen, dass dies nicht in betrügerischer Absicht geschah.

Wenn eine drastische Reduzierung des Vermögens festzustellen ist, kann das Gericht diesen Betrag fiktiv dem Endvermögen zurechnen, sodass er beim Zugewinnausgleich berücksichtigt wird.


II. Fehler des OLG: Falsche Beweislastverteilung

Das OLG hatte die Beweislast fälschlicherweise der Ehefrau zugewiesen. Es argumentierte, dass die vom Ehemann genannte Vermögenshöhe zum Trennungszeitpunkt nicht exakt nachgewiesen sei. Der BGH widersprach dieser Ansicht:

1. Der Ehemann hatte selbst eine Vermögensauskunft zum Stichtag 17. September 2017 vorgelegt. Diese kann er nicht nachträglich in Zweifel ziehen, nur weil sie für ihn nachteilig ist.

2. Wenn eine erhebliche Differenz zwischen Trennungsvermögen und Endvermögen besteht, greift die Beweislastumkehr automatisch – der betroffene Ehegatte muss dann beweisen, dass er sein Vermögen nicht in illoyaler Absicht reduziert hat.

3. Der Ehemann konnte keine plausiblen Belege für den Verbleib des Geldes vorlegen. Er behauptete zwar, dass ein Teil des Geldes für Medikamente aufgebraucht wurde, legte aber keine Rechnungen oder sonstigen Nachweise vor.

Damit war die Entscheidung des OLG rechtsfehlerhaft. Es hätte nicht die Ehefrau für den Verbleib des Vermögens beweispflichtig machen dürfen, sondern den Ehemann.

Der Fall wurde daher an das OLG zurückverwiesen, damit es die Vermögensminderung unter Beachtung der Beweislastumkehr neu prüft.


D. Bedeutung der Entscheidung und praktische Konsequenzen

Die Entscheidung des BGH hat große Bedeutung für den Zugewinnausgleich nach einer Scheidung. Sie stellt klar:

1. Wer nach der Trennung sein Vermögen drastisch reduziert, muss genau belegen, wofür das Geld verwendet wurde.

2. Die Beweislast liegt beimjenigen, dessen Vermögen geschrumpft ist – nicht beim anderen Ehegatten.

3. Wenn keine plausiblen Belege vorgelegt werden, wird das verschwundene Vermögen dem Endvermögen hinzugerechnet, sodass der Zugewinnausgleich entsprechend höher ausfällt.

Für scheidungswillige Ehepartner bedeutet dies, dass sie frühzeitig eine detaillierte Vermögensaufstellung anfertigen sollten. Nach der Trennung sollten größere Ausgaben dokumentiert werden, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

Für Rechtsanwälte und Gerichte ist das Urteil eine klare Anweisung, in Zugewinnausgleichsverfahren genau hinzusehen, wenn nach der Trennung große Vermögensverluste auftreten. Eine einfache Behauptung, das Geld sei „ausgegeben worden“, reicht nicht aus – es müssen konkrete Nachweise vorliegen.

Die Entscheidung stärkt den Schutz des wirtschaftlich schwächeren Ehepartners. Wer nach der Trennung versucht, seinen Zugewinnausgleich durch fragwürdige Vermögensverschiebungen zu minimieren, läuft Gefahr, dass ihm das verlorene Vermögen fiktiv zugerechnet wird.


Fazit

Die zentrale Botschaft des Urteils lautet: Wer sein Vermögen nach der Trennung drastisch reduziert, muss Rechenschaft ablegen. Ansonsten droht eine gerichtliche Korrektur durch die fiktive Zurechnung des Vermögens, was den Zugewinnausgleich deutlich erhöhen kann.

Ehegatten sollten sich dieser Rechtslage bewusst sein und sicherstellen, dass sie ihre Finanzen nach der Trennung nachvollziehbar und transparent verwalten – andernfalls könnte ein erheblicher finanzieller Nachteil drohen.

Warenkorb 0

Dein Warenkorb ist leer

Beginn mit dem Einkauf