A. Einführung
Im Profifußball regeln internationale Verbände wie die FIFA die Rahmenbedingungen für Transfers, Ausbildungsentschädigungen und den finanziellen Ausgleich zwischen Vereinen. Insbesondere das Entschädigungssystem für die Ausbildung junger Spieler sorgt regelmäßig für juristische Auseinandersetzungen. Die Grundidee dieser Regelungen ist es, kleinere Clubs, die in die Ausbildung junger Spieler investieren, finanziell zu schützen.
Doch diese Regelungen stehen immer wieder in der Kritik, weil sie möglicherweise gegen grundlegende Prinzipien des europäischen Rechts verstoßen. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und das Verbot wettbewerbsbeschränkender Absprachen gemäß Art. 101 AEUV könnten durch die restriktiven Vorgaben der FIFA verletzt sein. Die zentrale Frage lautet daher: Sind diese Regelungen rechtlich zulässig, oder müssen sie an die europarechtlichen Maßstäbe angepasst werden?
Mit dieser Frage musste sich der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Beschluss vom 10. Dezember 2024 (Az. II ZR 39/24) auseinandersetzen. Der Fall dreht sich um einen Fußballverein, der aufgrund von Regelungen zur Ausbildungsentschädigung mit einem Zwangsabstieg sanktioniert wurde und daraufhin Schadensersatz forderte. Der BGH wies die Beschwerde jedoch zurück und betonte, dass der Verein nicht nachweisen konnte, dass der angebliche Schaden tatsächlich auf die Regelungen der FIFA zurückzuführen war.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass selbst bei möglichen Verstößen gegen das Unionsrecht ein Schadensersatzanspruch nicht automatisch besteht. Vielmehr ist erforderlich, dass ein Kläger konkret belegt, dass der Schaden durch die beanstandete Maßnahme verursacht wurde.
B. Hintergrund und Sachverhalt
Der Kläger, ein professioneller Fußballverein, hatte einen Rechtsstreit gegen eine Entscheidung der FIFA geführt, die ihn aufgrund ausstehender Ausbildungsentschädigungen mit einem Zwangsabstieg sanktioniert hatte. Das FIFA-Entschädigungssystem sieht vor, dass Vereine, die junge Spieler ausbilden, bei deren späterem Wechsel zu einem anderen Verein eine finanzielle Kompensation erhalten.
Der betroffene Verein argumentierte, dass diese Regelung gegen das europäische Wettbewerbsrecht und die Arbeitnehmerfreizügigkeit verstoße. Der Mechanismus der Ausbildungsentschädigung erschwere es jungen Spielern, frei zu wechseln, und benachteilige Vereine, die nicht über die finanziellen Mittel verfügen, diese Zahlungen zu leisten.
Als direkte Folge der Weigerung, die geforderten Entschädigungszahlungen zu leisten, war der Verein von der FIFA sanktioniert worden, was schließlich zum Zwangsabstieg aus der jeweiligen Liga führte. Der Verein machte geltend, dass ihm dadurch erhebliche finanzielle Verluste entstanden seien und er deshalb einen Schadensersatzanspruch geltend machen könne.
Das Amtsgericht und das Oberlandesgericht wiesen die Klage ab, da nach ihrer Auffassung nicht hinreichend dargelegt wurde, dass der Schaden tatsächlich auf die FIFA-Regelung zurückzuführen sei. Der Verein legte daraufhin eine Beschwerde beim BGH ein, um eine Revision zu erreichen.
C. Entscheidung des BGH und rechtliche Analyse
Der BGH wies die Beschwerde zurück und bestätigte die vorhergehenden Urteile. Dabei stellte er klar, dass eine grundsätzliche Prüfung der Vereinbarkeit der FIFA-Regelungen mit dem Unionsrecht in diesem Fall nicht erforderlich sei, weil der Kläger nicht ausreichend dargelegt habe, dass ihm tatsächlich ein Schaden durch die beanstandete Regelung entstanden sei.
Im Zentrum der Entscheidung stehen die Kausalität und der Nachweis eines tatsächlichen Schadens. Ein Kläger, der eine Maßnahme als unionsrechtswidrig angreift, muss nachweisen, dass ein konkreter Schaden kausal durch diese Maßnahme verursacht wurde.
Der Verein hatte argumentiert, dass das System der Ausbildungsentschädigungen gegen das Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit verstoße, weil es für Spieler schwieriger werde, den Verein zu wechseln. Zudem verstoße die Regelung gegen das Wettbewerbsrecht der EU, weil sie kleinere Vereine wirtschaftlich benachteilige.
Der BGH stellte fest, dass es sich bei diesen Fragen zwar um prinzipiell wichtige unionsrechtliche Themen handelt, sie aber für den konkreten Fall nicht entscheidend seien. Selbst wenn die Regelung möglicherweise gegen das Unionsrecht verstoße, sei dies für den Schadensersatzanspruch des Vereins nicht relevant, weil der Verein nicht nachweisen konnte, dass der behauptete finanzielle Verlust tatsächlich durch diese Regelung entstanden sei.
Ein weiterer Punkt der Entscheidung war die Frage, ob der Fall dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Vorabentscheidung vorgelegt werden müsste. Der BGH verneinte dies mit der Begründung, dass die Grundsätze des Äquivalenz- und Effektivitätsprinzips in der Rechtsprechung des EuGH bereits hinreichend geklärt seien. Es gebe daher keinen Anlass für eine erneute Klärung durch den EuGH.
D. Bedeutung der Entscheidung und praktische Konsequenzen
Die Entscheidung des BGH hat große Bedeutung für den Fußball und das Sportrecht insgesamt, da sie sich mit den Grenzen des unionsrechtlichen Schadensersatzanspruchs in Bezug auf Sportverbände befasst.
Für Fußballvereine bedeutet das Urteil, dass sie sich nicht einfach auf mögliche Unionsrechtsverstöße berufen können, um Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Vielmehr müssen sie konkret belegen, dass der angebliche Schaden tatsächlich auf eine unionsrechtswidrige Maßnahme zurückzuführen ist.
Für Spieler und Spielerberater zeigt das Urteil, dass das FIFA-System der Ausbildungsentschädigungen vorerst nicht grundlegend in Frage gestellt wird. Wer gegen diese Regelungen vorgehen möchte, muss eine detaillierte und gut begründete Klage mit konkreten Schadensnachweisen vorlegen.
Für Gerichte und Rechtsanwälte ist das Urteil ein wichtiges Signal dafür, dass Unionsrechtsverstöße nicht automatisch Schadensersatzansprüche begründen. Entscheidend bleibt stets die Frage der Kausalität und der konkreten Auswirkungen auf den betroffenen Kläger.
Die Entscheidung verdeutlicht zudem, dass eine Vorlage an den EuGH nur dann erforderlich ist, wenn eine Rechtsfrage nicht bereits in der bestehenden Rechtsprechung geklärt wurde. Da sich der EuGH bereits in mehreren Entscheidungen mit dem Verhältnis von Sportrecht und Unionsrecht befasst hat, sah der BGH keine Notwendigkeit für eine erneute Vorlage.
Fazit
Der BGH hat mit dieser Entscheidung klargestellt, dass ein Schadensersatzanspruch wegen unionsrechtswidriger Sportverbandsregelungen nur dann erfolgreich sein kann, wenn ein Kläger nachweisen kann, dass ein konkreter finanzieller Schaden tatsächlich durch die Regelung verursacht wurde.
Allein die Behauptung, eine Regelung verstoße gegen das Wettbewerbsrecht oder die Arbeitnehmerfreizügigkeit der EU, reicht nicht aus. Vielmehr muss eine genaue Kausalitätskette dargelegt werden, die zeigt, dass gerade diese Regelung unmittelbar zu einem finanziellen Nachteil geführt hat.
Für Fußballvereine bedeutet dies, dass sie ihre Klagen gegen FIFA-Regelungen sehr sorgfältig vorbereiten und mit belastbaren Nachweisen untermauern müssen. Für den europäischen Fußball zeigt die Entscheidung, dass das FIFA-System der Ausbildungsentschädigungen vorerst nicht durch die deutsche Rechtsprechung infrage gestellt wird. Wer Änderungen an diesen Regelungen erreichen will, muss dies auf politischer oder sportgerichtlicher Ebene durchsetzen.