1. Einleitung
Sowohl der Raub gem. § 249 StGB als auch die räuberische Erpressung gem. §§ 253, 255 StGB setzen den Einsatz qualifizierter Gewalt oder Drohung voraus, um den Gewahrsam an einer fremden Sache zu erlangen. Problematisch wird die Abgrenzung dieser beiden Tatbestände insbesondere dann, wenn der Täter eine Sache durch Wegnahme und eine andere durch Übergabe erlangt. Der BGH hat sich mit dieser Konstellation auseinandergesetzt und klargestellt, wie eine solche Fallgestaltung zu lösen ist (BGH, Beschluss vom 14.05.2024 – 3 StR 121/24).
2. Sachverhalt
A, ein dem Drogenmilieu zugehöriger Täter, agierte gemeinsam mit zwei Mittätern an einem Busbahnhof, um den Nebenkläger N zur Herausgabe von Heroin und Bargeld zu bewegen. Während zwei der Mittäter N mehrfach ins Gesicht schlugen und ihn zur Herausgabe aufforderten, positionierte sich A hinter N, um eine Flucht zu verhindern. N, der sich um eine Fluchtmöglichkeit bemühte, wurde von A belehrt, dass "Wegrennen nichts bringe". Daraufhin gab N das Heroin heraus. Gleichzeitig griff einer der Mittäter in Ns Tasche und nahm dessen Bargeld an sich.
Nach der Tat wurde das Opfer erneut attackiert und erlitt schwerwiegende Gesichtsverletzungen. A und seine Mittäter flohen, als eine Zeugin die Polizei rief. Das Landgericht verurteilte A lediglich wegen räuberischer Erpressung gem. §§ 253, 255 StGB und tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung gem. §§ 223, 224 StGB. Der BGH sah dies jedoch anders.
3. Rechtliche Würdigung
Der BGH entschied, dass sich A nicht nur wegen räuberischer Erpressung, sondern auch wegen mittäterschaftlich begangenen Raubes gem. § 249 StGB strafbar gemacht hat. Beide Delikte ständen zueinander in Tateinheit gem. § 52 StGB.
3.1. Räuberische Erpressung hinsichtlich des Heroins
Die Herausgabe des Heroins durch N erfüllt nach Ansicht des BGH den Tatbestand der räuberischen Erpressung, da die Handlung des Opfers durch Drohung mit Gewalt erzwungen wurde. Zentral für die Abgrenzung zwischen Raub und räuberischer Erpressung ist, ob das Opfer eine Vermögensverfügung trifft. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH genügt bereits ein Dulden der Wegnahme, um eine Erpressung anzunehmen, während die Literatur eine bewusste Vermögensverfügung fordert.
3.2. Raub hinsichtlich des Bargeldes
Die Wegnahme des Bargeldes wurde nicht durch eine bewusste Vermögensverfügung des Opfers vollzogen, sondern durch ein unmittelbares physisches Nehmen unter Gewaltanwendung. Dies erfüllt die Voraussetzungen des Raubes gem. § 249 StGB. Der BGH hebt hervor, dass Raub und räuberische Erpressung anhand des äußeren Erscheinungsbildes abzugrenzen seien: Während das Heroin durch eine Handlung des Opfers in den Besitz des Täters gelangte (Erpressung), wurde das Bargeld ohne Mitwirkung des Opfers entwendet (Raub).
3.3. Konkurrenzverhältnis
Da beide Delikte dieselbe Gewalthandlung als Mittel der Tatverwirklichung nutzen, stehen sie in Tateinheit gem. § 52 StGB. Die Verwirklichung mehrerer Delikte an unterschiedlichen Tatobjekten führt hier nicht zur Annahme von Tatmehrheit.
4. Praxisrelevanz
Der vorliegende Fall ist prüfungsrelevant, da er die Abgrenzung zwischen Raub und räuberischer Erpressung thematisiert und verdeutlicht, dass bei unterschiedlichen Tatobjekten auch mehrere Delikte vorliegen können. In einer Klausur sollte darauf geachtet werden, wie die Rechtsprechung des BGH sich von der Literatur unterscheidet und welche Argumente jeweils für oder gegen eine Anwendung von § 249 oder §§ 253, 255 StGB sprechen.
5. Fazit
Die Entscheidung des BGH macht deutlich, dass in Fällen, in denen durch eine einheitliche Handlung unterschiedliche Tatobjekte betroffen sind, sowohl Raub als auch räuberische Erpressung tateinheitlich verwirklicht sein können. Die Abgrenzung zwischen beiden Delikten erfolgt dabei anhand des äußeren Erscheinungsbildes der Tat. Dies schafft Klarheit in der strafrechtlichen Einordnung und sorgt für eine konsistente Anwendung der Konkurrenzlehre im Bereich der Eigentumsdelikte.