A. Sachverhalt
Der Angeklagte hatte sich 1984 entschlossen, seinen Sohn Karl-Friedrich M. – den Hoferben – zu töten. Nach der Übergabe des Hofes gegen Einräumung eines Nießbrauchsrechts kam es zwischen den beiden zunehmend zu Konflikten. Der Sohn machte dem Vater das Nießbrauchsrecht streitig und beging mehrfach tätliche Übergriffe, oft unter Alkoholeinfluss. Der Angeklagte fürchtete den Verlust seiner Existenz und seines Heimes. In dem Glauben, die Tötung seines Sohnes sei zur Rettung der Familie erforderlich, plante er die Tat und heuerte den Mitangeklagten S. gegen eine Geldsumme an.
S. sollte den Sohn im Pferdestall töten, wobei der Angeklagte ihm Informationen über die Gewohnheiten und das Aussehen seines Sohnes sowie ein Lichtbild übergab. Nachdem mehrere Anläufe scheiterten, setzte der Angeklagte S. eine Frist zur Ausführung der Tat und beschaffte ein Kleinkalibergewehr. Am 25. November 1985 wartete S. im Pferdestall auf Karl-Friedrich M., traf dort jedoch auf Bernd S., einen Nachbarn, der dem Sohn in Statur ähnelte. Im Glauben, es handle sich um Karl-Friedrich M., erschoss S. den Nachbarn.
Die Tat blieb zunächst unentdeckt. Der Angeklagte hielt jedoch an seinem Plan fest und versuchte 1987 selbst, seinen Sohn zu töten. Er lockte ihn unter einem Vorwand in eine Situation, in der er mit einem Eisenrohr auf ihn einschlug. Karl-Friedrich M. überlebte schwer verletzt.
B. Worum geht es?
S. hat Bernd S. getötet, ging dabei aber davon aus, dass es sich um Karl-Friedrich M. handelte. Strafrechtlich handelt es sich dabei um einen unbeachtlichen error in persona des Täters. Die entscheidende Frage ist, ob dieser Irrtum Auswirkungen auf die Strafbarkeit des Anstifters hat. Seit der bekannten Entscheidung „Rose-Rosahl“ des Preußischen Obertribunals aus dem Jahr 1859 ist diese Frage umstritten. Der Bundesgerichtshof (BGH) nahm im Hoferben-Fall dazu Stellung und beantwortete die Frage, ob der Irrtum des Täters über die Person des Tatopfers für den Anstifter beachtlich ist.
C. Wie hat der BGH entschieden?
Der BGH verurteilte den Angeklagten wegen vollendeter Anstiftung zum Mord gemäß §§ 211, 26 StGB. Der error in persona des Täters sei grundsätzlich unbeachtlich, solange die Verwechslung des Opfers durch den Täter innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren liege.
In den Entscheidungsgründen heißt es:
„Nach § 26 StGB wird der Anstifter gleich dem Täter bestraft. Hiernach verwirklicht der Anstifter grundsätzlich gleiches Unrecht wie der Täter und soll ebenso wie dieser haftbar sein. Nichts anderes ergibt sich aus dem Strafgrund der Anstiftung, daß nämlich der Anstifter als entfernter Urheber die Straftat herbeiführt und damit für die Rechtsgutverletzung der Haupttat ursächlich wird.“
Der BGH stellte weiter fest:
„Geschütztes Rechtsgut der Tötungsdelikte ist das Leben; es wird auch dann verletzt – und nicht etwa im Sinne eines Versuchs bloß gefährdet –, wenn sich der Täter über die Person des Opfers irrt.“ Damit sei keine besondere Rechtfertigung erkennbar, die eine abweichende Bewertung des Irrtums für den Anstifter rechtfertigen könnte. Der BGH betonte, dass der Angeklagte das Geschehen bewusst aus der Hand gegeben hatte:
„Der Irrtum des Mitangeklagten stellte sich für den Angeklagten zwar als eine Abweichung von dem geplanten Tatgeschehen dar (…), sie ist aber rechtlich unbeachtlich, weil sie sich in den Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren hielt.“
Die Zurechnung sei auch deshalb gerechtfertigt, weil die Möglichkeit einer Verwechslung angesichts der Lichtverhältnisse und der Umstände vorhersehbar war:
„Der Angeklagte hat nämlich, als er den Pferdestall verließ, das Geschehen bewußt aus der Hand gegeben. Angesichts der Lichtverhältnisse bestand durchaus die Gefahr, daß der Täter andere Personen, die sich zufällig dem Pferdestall näherten, mit dem ins Auge gefaßten Opfer verwechselte.“
Die Regeln zur aberratio ictus fand der BGH hier nicht anwendbar:
„Die Kategorie der Zurechnung der Abweichungen vom vorgestellten Verlauf des Geschehens innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren reicht aus, um unangemessene Ergebnisse zu verhindern.“
D. Fazit
Der Hoferben-Fall ist ein Klassiker des Strafrechts und Pflichtlektüre für Studierende und Referendar:innen. Der BGH bestätigte, dass der Irrtum des Täters über die Identität des Opfers für den Anstifter unbeachtlich bleibt, wenn die Verwechslung im Rahmen des Voraussehbaren liegt. Die Entscheidung verdeutlicht, dass der Anstifter auch für Irrtümer des Täters haftet, wenn er das Tatgeschehen weitgehend aus der Hand gibt.
Die Begründung des BGH betont das Verhältnis von Täterschaft und Teilnahme. Sie zeigt, wie weitreichend die Verantwortung eines Anstifters reicht, wenn er die Individualisierung des Opfers dem Täter überlässt. Der Fall bietet zahlreiche Ansatzpunkte für Klausuren, insbesondere zu den Themen Täterschaft und Teilnahme, Vorsatzfragen und die Abgrenzung zwischen Kausalabweichung und aberratio ictus.