Die Rückforderung unrechtmäßig erhobener Kontoführungsgebühren ist für viele Bankkunden ein sensibles Thema. Im Fokus steht dabei insbesondere die sogenannte Zustimmungsfiktionsklausel, die Banken in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) gerne verwenden, um Entgelterhöhungen oder neue Gebühren durchsetzen zu können. Doch was passiert, wenn ein Bankkunde diese Gebühren jahrelang ohne Widerspruch gezahlt hat? Hat er sein Rückforderungsrecht dadurch verloren? Der BGH hat dazu in seinem Urteil vom 19. November 2024 (XI ZR 139/23) Stellung bezogen und die Rechte der Verbraucher gestärkt.
Der Sachverhalt – Gebühren ohne Zustimmung (Zustimmungsfiktionsklausel)
Der Kläger unterhielt bei der beklagten Sparkasse ein ursprünglich kostenlos geführtes Girokonto. Die Sparkasse führte später Kontoführungsgebühren ein und informierte den Kläger hierüber schriftlich. In ihren AGB war geregelt, dass Änderungen der Entgelte als genehmigt gelten, wenn der Kunde nicht innerhalb einer bestimmten Frist widerspricht – eine sogenannte Zustimmungsfiktionsklausel. Der Kläger widersprach nicht und zahlte die abgebuchten Entgelte über einen Zeitraum von drei Jahren. Erst danach verlangte er die Rückzahlung der Gebühren in Höhe von 192 Euro. Die Sparkasse verweigerte dies mit Verweis auf die jahrelange widerspruchslose Zahlung.
Die Entscheidung des BGH – Rückforderung trotz langer Zahlung möglich
Der BGH entschied eindeutig zugunsten des Klägers. Maßgeblich sei, dass die Zahlung der Kontoführungsgebühren mangels wirksamer vertraglicher Grundlage ohne Rechtsgrund erfolgt sei und daher nach § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB zurückgefordert werden könne.
Keine wirksame vertragliche Grundlage
Der BGH stellte fest, dass weder eine ausdrückliche Annahme des Änderungsangebots der Bank vorlag, noch das Schweigen des Kunden als Zustimmung gewertet werden konnte. Schweigen ist im Rechtsverkehr grundsätzlich keine Annahme, es sei denn, das Gesetz sieht dies ausdrücklich vor – was hier nicht der Fall war.
Unwirksamkeit der Zustimmungsfiktionsklausel
Zentraler Punkt der Entscheidung war die Unwirksamkeit der Zustimmungsfiktionsklausel nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die Klausel verstößt gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, wonach Vertragsänderungen nur durch eine tatsächliche Zustimmung zustande kommen können. Die bloße Nutzung des Girokontos kann nicht als konkludente Zustimmung zu geänderten Entgelten interpretiert werden, da der Zugang zu einem Girokonto essenziell für die Teilnahme am wirtschaftlichen Leben ist und nicht automatisch die Zustimmung zu höheren Gebühren beinhaltet.
Keine ergänzende Vertragsauslegung
Eine ergänzende Vertragsauslegung, die die Zahlungspflicht des Kunden fingiert, kam ebenfalls nicht in Betracht. Der BGH lehnte eine Analogie zur sogenannten „Dreijahreslösung“ ab, wie sie bei unwirksamen Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen angewendet wird. Im vorliegenden Fall bestand keine Vertragslücke, die durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen wäre.
Kein Ausschluss der Rückforderung durch Zeitablauf
Der Umstand, dass der Kläger die Entgelte drei Jahre lang vorbehaltlos gezahlt hatte, stand seinem Rückforderungsanspruch nicht entgegen. Der BGH stellte klar, dass das dispositive Gesetzesrecht in § 311 Abs. 1 BGB und §§ 145 ff. BGB keine Frist vorsieht, binnen derer der Kunde sein Rückforderungsrecht verlieren würde, wenn keine wirksame Vertragsgrundlage besteht.
Ergebnis
Der Kläger konnte die in den letzten drei Jahren gezahlten Bankentgelte in Höhe von 192 Euro von der Sparkasse nach § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB zurückfordern.
Prüfungsrelevanz
Die Entscheidung ist für die juristische Ausbildung besonders relevant, da sie ein Zusammenspiel aus Bereicherungsrecht und AGB-Kontrolle behandelt und aufzeigt, wie bei unwirksamen Klauseln zu verfahren ist. Zudem wird deutlich, dass auch eine jahrelange widerspruchslose Zahlung nicht automatisch einen Verzicht auf das Rückforderungsrecht bedeutet. In Prüfungen muss man neben § 812 BGB stets die Wirksamkeit der zugrunde liegenden Klausel anhand von § 307 BGB prüfen und gegebenenfalls auch die Möglichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung oder eines Ausschlusses durch Zeitablauf erörtern.
Fazit
Der BGH hat in diesem Urteil klargestellt: Banken können sich nicht auf unwirksame Zustimmungsfiktionsklauseln stützen, um Gebührenänderungen durchzusetzen. Verbraucher sind auch nach mehreren Jahren noch berechtigt, rechtsgrundlos gezahlte Entgelte zurückzufordern. Diese Entscheidung stärkt den Verbraucherschutz und mahnt Banken zu rechtssicherem Verhalten.
(BGH, Urteil vom 19.11.2024 – XI ZR 139/23)