Nächtliche Ruhestörungen sind ein Klassiker im Mietrecht und bieten reichlich Stoff für Klausuren. Das Amtsgericht Hamburg hat sich in einer aktuellen Entscheidung (Az. 21 C 344/24) mit genau dieser Problematik beschäftigt und klargestellt, wann sozialtypische Verhaltensweisen wie Duschen, Waschen oder Staubsaugen den Hausfrieden so nachhaltig stören, dass sie eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen können.
Der Sachverhalt – wiederholte Ruhestörungen und Ignoranz gegenüber Abmahnungen
B ist seit 2005 Mieterin einer 116 Quadratmeter großen Wohnung in einem Altbau in Hamburg. Aufgrund ihres Alters und ihrer Pflegebedürftigkeit lebt mittlerweile auch ihr Sohn C in der Wohnung. Zwischen April und August 2023 kam es wiederholt zu Beschwerden anderer Mieter wegen nächtlicher Ruhestörungen durch die beiden. Beanstandet wurden vor allem das Betätigen der Waschmaschine, Staubsaugen, Duschen, Möbelrücken und lautes Streiten in der Zeit zwischen 22.45 Uhr und 6.30 Uhr. A, die Vermieterin, mahnte sowohl B als auch C mehrfach ab und bat um persönliche Gespräche, auf die jedoch nicht reagiert wurde. Nach weiteren Vorkommnissen kündigte A das Mietverhältnis außerordentlich und verlangte die Räumung. B und C kamen dieser Aufforderung nicht nach.
Rechtsgrundlage der Entscheidung – § 543 BGB und das Rücksichtnahmegebot
Das Amtsgericht Hamburg hat den Herausgabeanspruch der A aus § 546 Abs. 1, 2 BGB bejaht, da das Mietverhältnis wirksam durch eine außerordentliche Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB beendet wurde.
Ein „wichtiger Grund“ im Sinne des § 543 BGB liegt vor, wenn dem kündigenden Vermieter unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung beiderseitiger Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die nachhaltige Störung des Hausfriedens kann einen solchen wichtigen Grund darstellen.
Die Abwägung im Einzelfall – Lärmprotokolle und Sozialadäquanz
Das Gericht stützte seine Entscheidung maßgeblich auf die von der Vermieterin vorgelegten Lärmprotokolle. Es stellte fest, dass die nächtlichen Störungen regelmäßig und in einem Umfang auftraten, der deutlich über das sozialadäquate Maß hinausging.
Zwar müssen Mieter gelegentliche nächtliche Geräusche wie Toilettengänge oder kurzes Duschen in einem Mehrparteienhaus dulden. Wenn aber nahezu täglich zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr über längere Zeiträume hinweg Waschmaschinen laufen, Möbel verrückt und laut gestritten wird, ist die Grenze überschritten. Die besondere Hellhörigkeit des Altbaus verstärkte dabei die Wahrnehmung der Lärmbelästigung erheblich.
Keine Rechtfertigung durch gesundheitliche Einschränkungen
B führte als Entschuldigung an, sie leide an einem Krankheitsbild, das sie zwinge, nachts die Beine in der Badewanne zu kühlen. Das Gericht ließ diesen Einwand jedoch nicht gelten, da dies die übrigen nächtlichen Störungen wie Möbelrücken und Staubsaugen nicht erklärt. Zudem sei es B und C zumutbar gewesen, Maßnahmen zur Lärmvermeidung zu ergreifen.
Schuldhaftes Verhalten und fehlende Bereitschaft zur Kooperation
Besonders ins Gewicht fiel, dass A die Mieter mehrfach abgemahnt und persönliche Gespräche angeboten hatte, diese jedoch unbeantwortet blieben. Das Gericht stellte klar, dass ein Verschulden nicht zwingend Voraussetzung für eine außerordentliche Kündigung ist, es jedoch in die Interessenabwägung einbezogen werden kann. Das ignorante Verhalten von B und C verstärkte daher die Unzumutbarkeit einer Fortsetzung des Mietverhältnisses erheblich.
Prüfungsrelevanz und Hinweise für die Klausur
Der Fall zeigt deutlich, dass auch alltägliches Verhalten zu einer Kündigung führen kann, wenn es in einer Häufigkeit und Intensität auftritt, die den Hausfrieden nachhaltig stört. Für die Prüfung ist entscheidend, dass Du den unbestimmten Rechtsbegriff des „wichtigen Grundes“ sorgfältig ausfüllst. Orientiere Dich dabei am Rücksichtnahmegebot des § 241 Abs. 2 BGB und beziehe alle Umstände des Einzelfalls ein.
Zudem solltest Du in einer Klausur stets den Klageantrag konkret formulieren. Bei einer Räumungsklage ist es wichtig, dass der Tenor vollstreckbar ist und der Mietgegenstand genau bezeichnet wird. Auch § 255 ZPO (Stufenklage) und § 721 ZPO (Verlängerung der Räumungsfrist) können in einer solchen Konstellation relevant werden und der Korrektor wird es Dir danken, wenn Du daran denkst.
Fazit
Das Urteil des AG Hamburg zeigt, dass typisches Wohnverhalten wie Duschen und Staubsaugen in der Nacht dann zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, wenn es in Frequenz, Dauer und Intensität das Maß des sozial Adäquaten überschreitet. Besonders in hellhörigen Altbauten ist eine erhöhte Rücksichtnahme erforderlich. Reagieren Mieter trotz mehrfacher Abmahnung nicht und zeigen keinerlei Bereitschaft, ihr Verhalten anzupassen, wird eine weitere Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar.
(AG Hamburg, Az. 21 C 344/24)