Sachverhalt
Der Sportler S übt auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz Parkour aus. Dabei läuft er über verschiedene Hindernisse. Im Rahmen eines besonders riskanten Stunts nimmt er Anlauf und stößt sich von einem Betonpfeiler ab, um eine Wand zu überwinden. Bei der Landung verliert er jedoch das Gleichgewicht und prallt mit erheblicher Wucht gegen eine Mauer, die an den Parkplatz angrenzt.
Durch die Wucht des Aufpralls entstehen erhebliche Schäden: Die Wand bricht teilweise ein und muss vollständig erneuert werden. Zudem wird durch den Aufprall auch ein in unmittelbarer Nähe abgestelltes Fahrzeug eines Dritten getroffen und deutlich beschädigt (tiefe Dellen, zerbrochene Scheiben).
Der Eigentümer des Parkplatzes und der beschädigten Wand verlangt von S Ersatz der Reparaturkosten. Auch der Eigentümer des beschädigten Autos fordert von S Schadensersatz. S hält dem entgegen, er habe nicht mit einer derart schlechten Bauweise der Wand rechnen können und sei außerdem nur seiner sportlichen Betätigung nachgegangen.
Können der Eigentümer der beschädigten Wand sowie der Eigentümer des beschädigten Fahrzeugs von Sportler S Schadensersatz verlangen?
I. Ansprüche des Eigentümers der beschädigten Wand gegen S
In Betracht kommt allein ein Anspruch aus § 823 I BGB.
1. Anspruch entstanden
Der Anspruch müsste zunächst entstanden sein.
a) Verletzung eines geschützten Rechts bzw. Rechtsguts
Die Wand ist zusammengestürzt, sodass eine Verletzung des Eigentums vorliegt.
b) Verletzungshandlung des S
Der Sprung des S stellt eine Verletzungshandlung dar.
c) Haftungsbegründende Kausalität
Es müsste nun die haftungsbegründende Kausalität vorliegen, also die Kausalität zwischen der Verletzungshandlung und der Rechtsverletzung.
Der Sprung kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass die Rechtsverletzung entfällt, somit liegt die Kausalität nach der Äquivalenztheorie vor.
Zweifelhaft ist hingegen, ob auch Kausalität nach der Adäquanztheorie vorliegt. Es müsste also nach der allgemeinen Lebenserfahrung vorhersehbar gewesen sein, dass der Aufprall zum Einsturz der Mauer führen könnte.
Grundsätzlich ist die Gefahr von Beschädigungen von Bauobjekten bei derart riskanten Stunts nicht fernliegend. S hat Anlauf genommen, wodurch der Aufprall stark war.
Der vollständige Einsturz war wohl nur deswegen möglich, weil die Mauer außergewöhnlich instabil war. Dies liegt jedoch nicht völlig außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung und begründet daher noch keinen atypischen Kausalverlauf. Auch nach der Adäquanztheorie ist der Sprung von S daher kausal für die Rechtsverletzung.
Die Handlung des S ist auch vom Schutzzweck der Norm umfasst.
Die haftungsbegründende Kausalität liegt daher vor.
d) Rechtswidrigkeit
Die Rechtswidrigkeit wird durch die Rechtsverletzung indiziert.
e) Verschulden des S
S müsste vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben.
Ein vorsätzliches Handeln von S scheidet aus, er wollte die Mauer nicht zum Einsturz bringen.
Fahrlässig handelt nach § 276 II BGB, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. S übte Parkour in einer nicht dafür vorgesehenen Umgebung aus. Der von ihm geplante Stunt war äußerst risikoreich. Der erforderlichen Sorgfalt hätte es daher entsprochen, im Vorhinein wenigstens die Stabilität der Mauer zu prüfen und sich zu versichern, dass diese für einen derartigen Stunt geeignet ist. Für die Frage, ob S fahrlässig gehandelt hat, kommt es daher maßgeblich darauf an, ob er den Zustand der Mauer und das damit verbundene Risiko hätte erkennen können oder nicht. Dies ist eine Frage des Einzelfalls und muss im Rahmen einer Beweisaufnahme geklärt werden.
Für diese Falllösung wird angenommen, dass S fahrlässig gehandelt hat. Die Instabilität der Mauer kann in diesem Fall noch im Rahmen eines Mitverschuldens des Eigentümers berücksichtigt werden.
Wenn man davon ausgeht, dass keine Fahrlässigkeit vorlag, wäre die Prüfung an dieser Stelle zu Ende, der Eigentümer der Mauer hätte keinen Anspruch gegen S.
f) Schaden
Mit der Beschädigung der Mauer liegt auch ein Schaden vor.
g) Haftungsausfüllende Kausalität
Dieser beruht kausal auf der Rechtsgutsverletzung (haftungsausfüllende Kausalität).
h) Rechtsfolge
Nach § 249 I, II 1 BGB kann der Eigentümer der Wand daher die Reparaturkosten verlangen.
Aufgrund der Instabilität der Mauer kann jedoch an ein Mitverschulden nach § 254 I BGB zu denken sein. Dazu müsste dem Eigentümer der Mauer selbst ein Verschulden anzulasten sein, das bei der Entstehung des Schadens mitgewirkt hat.
Grundsätzlich kann dies angenommen werden, wenn ein Bauobjekt aufgrund einer mangelhaften Bauweise oder einer fehlenden Instandhaltung besonders instabil ist, vgl. BGH, Urteil vom 27.01.1981 - VI ZR 204/79.
Es könnte als fahrlässig betrachtet werden, dass der Eigentümer des Parkplatzes und der Mauer den Parkplatz öffentlich zugänglich machte, obwohl die Mauer ungewöhnlich brüchig war und daher ein erhöhtes Einsturzrisiko bestand. Allerdings war die Mauer nicht für sportliche Aktivitäten wie Parkour vorgesehen. Der Eigentümer der Mauer musste nicht damit rechnen, dass jemand die Mauer auf diese Weise belastet. Deshalb ist ihm kein eigenes Verschulden vorzuwerfen.
S haftet in voller Höhe für den entstandenen Schaden.
i) Ergebnis
Der Anspruch aus § 823 I BGB ist entstanden.
2. Anspruch nicht erloschen und durchsetzbar
Der Anspruch ist auch durchsetzbar und nicht erloschen.
3. Ergebnis
Der Eigentümer der beschädigten Wand hat gegen S einen Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten aus § 823 I BGB.
II. Ansprüche des Eigentümers des beschädigten Fahrzeugs
Auch hier kommt allein ein Anspruch aus § 823 I BGB in Betracht.
Mit der Beschädigung des Fahrzeugs durch tiefe Dellen und zerbrochene Scheiben liegt eine Eigentumsverletzung vor. Hinsichtlich der übrigen Prüfungspunkte lässt sich nach oben verweisen.
Der Eigentümer des Fahrzeugs kann nach § 823 I BGB den Ersatz der Reparaturkosten von S verlangen.
IV. Gesamtergebnis
Sowohl der Eigentümer der beschädigten Wand als auch der Eigentümer des beschädigten Fahrzeugs können nach § 823 I BGB Schadensersatz von S verlangen.

